An die Wähler

Der Schein» Conftitutionalismus.

Äls !m Mrz tr- »mlgen Jahn» d«r Aim'g, gegenüber den Männern der Revolution, das von semem Daker vor 33 Jahren gegebene Wort ein- zulösen und eine ReprSseniativ-Verfassung mit den DkvollmLchtigten des Volkes festzustellen ver­sprach, da verkündete er uns eine konstitutionelle Verfassung auf den breitesten Grundlagen.

Weshalb genügte eS nicht, bloß nne konsti­tutionelle Verfassung zu versprechen? weshalb war -er Zusatz der breitesten Grundlagen noth- wendia?

Die Antwort ist sehr einfach. In Frankreich hatte man lange Jahre hindurch eine konstitutio­nelle Verfassung gehabt, und doch war das Volk aufgestanden und hatte die Revolution gemacht. In Süddeutfchland waren Jahr für Jahr die kon­stitutionellen Kammern zusammenaetreten, um über das Wohl des Volke- mit den Ministem zu un­terhandeln, und doch hatte die Februar-Revolution von Ihren Wiederhall gefunden.

Ueberall hatte die Erfahrung gelehrt, daß eine konstitutionelle Verfassung an sich nicht im Stande ski, das Wohl de- Volkes zu sichern und die Festigkeit des Throne- zu begründen; überall hatte man es klar erkannt, daß nur eine konsti­tutionelle Verfassung mit den breitesten, demokra­tischen, d. h. volkSthümlichen, Grundlagen, die Bürgschaft für eine ruhige und gesetzliche Ent­wickelung der StaatSeinrichtungen enthalte.

Nicht Unruhige und Schwärmer hatten diese Auffassung verbreitet, sondern geachtete und er­fahrene Staatsmänner scheuten sich nicht, sie zu vertreten. Hat doch selbst der Marschall des vereinigten Landtags, der Fürst von SolmS- HohensolmS-Lych eS offen ausgesprochen, daß eine

Volksvertretvng ohne umfassende Rechte, nament­lich ohne das Recht der Steuerverweigerung, werthloS sei. -

Der König hatte das Versprechen gegeben, das Volk hatte es angenommen. Verantwortliche Minister waren an die Sette des Königs getre­ten, um die Ausführung des Versprechens rn die Hand zu nehmen; das Volk hatte seine Ver­treter nach Berlin geschickt, seine Interessen zu Vahren.

Am 22. Mai trat die Natlonal-Dersammlnng in Berlin zusammen. Fünf Monate hindurch be­schäftigte sie sich damit, die ungeheuren Arbeiten, welche ihr Übertragen waren, so, wie es ihrer besten Ueberzeugung nach das Wohl des Volkes erforderte, auszuführen. Schon war sie zu einem guten Theile damit zu Staude gekommen, als am S. November das Ministerium Brandenburg ihre Verlegung und Vertagung, und wenige Wochen nachher ihre Auflösung beschloß.

Am S. Dezember wurde eine neue Verfassung verkündet; ein neues Wahlgesetz, Gesetze der ver­schiedensten Art folgten.

Als das Ministerium diese Maßregel» zur Ausführung brachte, da stützte eS sich nicht auf das Recht, denn feine Handlungen standen in gradem Widerspruche mit den Gesetzen vom März, vom April und vom September. ES stützte sich nur auf die Zweckmäßigkeit seiner Maßregeln und eS ließ durch den Mund des Königs, den man lange Zeit von dem Volke abgeschlossen hatte, verkündete, es handle sich um die Aufrechterhal­tung der konstitutionellen Monarchie, welche durch die Rational-Dersammlung gefährdet gewesen fei.

Hat eS sich nun wirklich um die Aufrechthal-