Des Löwen Liebe.

41

Als der Löwe alle seine Bemühungen Mignon zu erwecken vergebens sah, blickte er mit traurigen Mienen auf das einzige Wesen, das ihm seine Ge­fangenschaft versüßt hatte, dann stieß er, indem er seinen fürchterlichen Rachen weit aufriß, ein entsetz­liches Geheul aus, das in weiter Entfernung die Menschen erzittern machte.

Die Wärter wollten Mignon von seinem könig­lichen Freunde entfernen, aber der Löwe ließ es nicht zu; er bewachte das todte Thier aus das Aengstlichste, jede Speise verschmähte der Löwe, Hunde uud Katzen, die man ihm vorwarf, zerriß er, und rührte sie nicht an. Die eisernen Stangen seines Behältnisses erzitter­ten unter seinen Bewegungen, die Bohlen in seinem Käficht riß er auf, er rannte hin und her, bis er end­lich ermattet auf den Körper seines Freundes fiel.

Dann sprang er wieder auf, zog den todten Mignon an seine Brust und brüllte so lange, bis er einschlief.

Fünf Tage trieb er es so, jede Nahrung ver­schmähend, am sechsten Morgen fand man den Königs­löwen todt auf dein Körper seines treuen Freundes, des kleinen Hundes.