— 130 —
eigenen Geistesftärke, im Vertrauen auf die Vorsehung unsers allmächtigen und allgütigen Schöpfers, zu ertragen.
Bedenke vorerst, daß deinem Vater oder deiner Mutter, die dir in Jahren so weit voraus sind, ihr Lebensziel gesteckt sein kann, ehe du noch im Stande bist, dich für die dunkle Zukunft auf dich selbst stützen zu können, und nimm deßhalb den Rath der Erfahrung mit festem Vorsätze, ihn mit allem Eifer zu befolgen, von mir an, so gibst du mir die Beruhigung, dich für das mühselige Leben gerüstet zurück zu lassen, und was das Schicksal auch über dich verfügen möge, überall in dir selbst und in deinem eigenen Gewissen den Wegweiser deiner Handlungen und damit die Zufriedenheit mit deiner Lage, dadurch aber auch das möglichste Glück auf dieser Wett zu erreichen.
Die schönste Zierde eines Mädchens ist Bescheidenheit und Grazie; beides kann nur aus ihrem Gemüthe erwachsen. Was auch immer dein Selbstbewußtsein an Ueberlegenheit über Andere, ob nun an Verstandes-Ausbildung oder körperlichen Vorzügen, sei, so würde das Fühlbarmachen derselben dir nur Tadel, verdiente Kritik und wohl auch den Neid und Haß zuziehen, während das Anerkennen der guten Eigenschaften an Anderen und dein rücksichtsvolles Benehmen, um deren Empfindlichkeit in keiner Weise zu nahe zu treten, sie deinen Umgang suchen und darin Vergnügen finden lassen wird; man wird deine guten Eigenschaften schätzen und sich dadurch nicht zurückgesetzt finden; man wird dich lieben, und dir wird dadurch das Leben angenehm werden.