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Weihnachts-Kinderpredigt.

Bon Paulus Cassel.

Es war Weihnachten. Wie schön sah die Kirche aus! Die grünen Bäume glänzten von zahllosen Lichtern. Der goldene Stern bewegte sich, tausend Kinder saßen mit leuchtenden Augen; die Orgel hatte begonnen und sie sangen alle wie in Engelchören: Stille Nacht, heilige Nacht da sprach der Prediger zu ihnen:

Lieben Kinder! Als ich in die Kirche durch den Vorgarten ging, da war es mir, als hörte ich zwei Sperlinge auf der Zinne also miteinander reden:

Hast du die Kinder gesehen," sagte der eine,die in die Kirche strömten? Wie geputzt sahen sie aus und wie artig kamen sie daher! So ist es nicht immer. Heut ist Weihnachten, da kommen sie und wollen etwas haben. Sonst aber tummeln sie sich wild auf den Straßen und beschmutzen Schuhe und Kleider." Und der andere sprach:Sahst du das Mädchen, wie sie so sromm hinein- ging? Jüngst guckte ich bei ihr zum Fenster hinein, da sah ich, wie sie naschte. Freilich, rief der Spatz, heute singen sie Lieder und ein anderes mal, wenn sie aus der Schule stürzen, da schreien, schlagen und schimpfen sie!"

Ja, und wenn sie noch die Wahrheit redeten! Jüngst hörte ich zu, wie ein Mädchen seine Mutter belog, es habe das Glas nicht zerbrochen, das auf dem Fenster stand und ich hatte es selbst gesehen, denn ich trank daraus; jetzt kommen sie mit der Bibel und der Kinderharfe, aber zu Hause, da singen und beten sie nicht. Wir sind schon lange auf, da kriechen sie aus ihrem Bette, und müssen machen, daß sie in die Schule kommen. Wo sollen sie da beten und singen?"

Und nun sitzen sie geputzt in der Kirche und bekommen hübsche Gaben und Pfefferkuchen, der uns auch gut schmecken würde, aber sie geben uns nichts, denn ich kenne die Menschenkinder; nehmen wollen sie alle an Weihnacht, aber ausgeben und daß wir armen Vöglein hungern, daran denken sie nicht."