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Engelminchen.

Eine Weihnachtsgeschichte von Ernst Krause.

Mr'GW

Es war vor vielen Jahren an einem dreiundzwanzigsten Dezember. In dem prächtigen Theater einer großen deut­schen Hauptstadt wurde gerade, wie es die ganze Weihnachtszeit hindurch üblich

5 war, ein wunderschönes Märchenspiel Z für die Kinder aufgeführt.

, Das war eine Lust für die kleinen D Zuschauer! Viele von ihnen waren heut Lj ! zum erstenmal im Theater und öffneten s Mund und Augen weit in stummem " ^ Erstaunen über all die Herrlichkeit. i'i! Andere klatschten vor Vergnügen in die Hände und lachten hell auf, oder sie frugen ganz laut die Mama, ob der Mann, welcher gerade auf der Bühne sprach, gut oder Gböse und ob all die reizenden kleinen Kobolde und Elfchen, ^welche da oben herumtanzten, lebendig seien.

Ei freilich waren sie lebendig! Lauter kleine Mädchen und Knaben von Fleisch und Blut aber die meisten von ihnen waren gar nicht so lustig, als es den fröhlichen Zuschauern wohl scheinen mochte. Denn wenn die Vorstellung zu Ende war, mußten sie ihre leichten, blitzenden Kleider aus und ihre eigenen ärmlichen Sachen wieder anziehen, und ihre Mütter holten sie ab und führten sie aus dem Feenreich des Theaters den oft gar weiten Weg nach Hause, die enge Stiege hinauf nach der elenden Wohnung. Und dort gab es für viele noch nicht einmal ein ordentliches Abendbrot, wenn sie um Mitternacht übermüdet und hungrig heimkamen. Die hübschen kleinen Kobolde und Elfen, die so munter im strahlenden Schein von viel hundert Lampen auf der Bühne herumtanzten, waren alle ganz armer Leute Kinder, welche dafür jeden Abend ein paar Groschen bekamen. Als das Weihnachtsstück eingeübt werden sollte, hatte der Direktor des Theaters in der Zeitung bekannt gemacht, daß gegen hundert Kinder, besonders Mädchen, dafür gebraucht würden, und auf diese Anzeige hin waren gleich am nächsten Morgen Hunderte von Kindern zur Musterung gebracht worden. Sie wurden alle in einer Reihe aufgestellt und dann hieß man sie den rechten Fuß