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Das Thürchen ohne Klinke.
Von I. J. Liessem.
Ein Bauer hatte an seinem Hofe eine kleine Pforte, die auf das Feld hinausführte. An dem Thürchen aber fehlte die Klinke, so daß man es nicht zuschließen konnte.
Ging der Bauer hinaus, so hatte er immer fein acht und zog das Thürchen hinter sich zu. Aber die andern waren nicht so gar besorgt darum. Und zudem kam oft der Wind und schlug die Thür wieder auf, wenn der Bauer sie kaum zugezogen hatte. So kam es, daß das Thürchen entweder im Winde hin- und herflog oder weit offen stand.
Bei diesem Zustande aber lief das Federvieh immer aus dem Hofe hinaus, und die Schafe und Lämmer kamen vom Felde ungerufen herein. Die Kinder hatten die halbe Zeit nichts anderes zu thun, als Jagd auf die Küchlein zu machen, um sie in den Hof zurückzutreiben, sowie den Schafen und Lämmern nachzulaufen, um sie wieder hinaus aufs Feld zu schicken.
Die Frau des Bauern sagte oft genug, man müsse die Klinke machen lassen; aber der Bauer meinte, das würde wohl fünf Groschen kosten, und sei auch nicht der Mühe wert. Die Kinder könnten eben so gut das Federvieh hereinholen und die Lämmer und Schafe wieder hinaustreiben, als daß sie gar nichts thäten. Das Thürchen blieb also ohne Klinke.
Eines Tages aber hatte sich ein fettes Schwein aus seinem Verschlage herausgemacht; es stieß die Hofthür auf und lief ins Feld und von da. ins nahe Gebüsch. Das Schwein wurde bald vermißt und mit großem Geschrei verfolgt.
Der Bauer war im Stalle und eben dabei, sein Pferd zu striegeln; aber er unterbrach seine Arbeit und jagte dem Schweine nach. Seine Frau, welche in der Küche mit Bügeln beschäftigt war, setzte das Bügeleisen hin und folgte ihrem Manne. Die Tochter rührte eben die Suppe über dem Feuer; sie ließ die Suppe stehen und eilte der Mutter nach. Die Söhne und der Knecht des Bauern wollten auch helfen, das Schwein einzufangen, und so liefen alle weg, Männer und Frauen, eines nach dem andern dem Walde zu.
Aber der Knecht strauchelte, als er über einen Zaun sprang, und verrenkte seinen Fuß, so daß der Bauer und seine Söhne genötigt waren, von der Jagd nach dem Schweine abzulassen und den Knecht nach Hause zu tragen. Auch die Frau und die Tochter kehrten zurück, um dem armen Knecht Umschläge zu machen.
Als sie wieder nach Hause kamen, fanden sie, daß die Suppe übergekocht und angebrannt war; auch zwei Hemden, die vor dem Feuer trocknen sollten, waren ganz versengt, und im Stall hatte das Pferd, welches der Bauer unangebunden hatte stehen lassen, ein schönes Füllen geschlagen und dessen Bein gebrochen.