Verwandtenliebe.
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wieder die Augen geschlossen hatte. „Lehrer sind oft so geschmacklos!"
„Und dieser Meier noch ganz besonders!" klagte Sigurd weiter. „Denke dir, daß er oft Andeutungen macht, wenn ich nicht mehr lernte, würde ich wohl im Freiwilligenexamen durchfallen!"
„Er ist also auch taktlos!" bemerkte die Schwester. „Wie kann er ein so gewöhnliches Wort, wie im Examen durchfallen, nur in den Mund nehmen? Der Mann muß entlassen werden!"
„Ich denke auch!" Sigurds Stimme klang beruhigter. „Er hat außerdem einen so schlechten Rock an, daß er mein ästhetisches Gefühl verletzt!"
In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre, und eine große Dame trat ein. Sie trug ein sehr elegantes Morgenkleid, und hatte noch recht hübsche, wenn auch etwas verschwommene Züge.
„Ihr seid beide hier?" fragte Frau Leonie Bert- Hold in erstauntem Tone; beide Kinder sahen die Mutter ebenso erstaunt an.
„Wo denkst du, daß wir sein sollen?" fragte Sigurd und erhob sich lässig, um seiner Mutter einen Sessel zurecht zu rücken, und diese ließ sich mit einem Seufzer hineinfallen.
„Lieber Gott — die kleine Franzi muß doch um diese Zeit mit dem Zuge ankommen, und niemand von uns ist an die Bahn gegangen!"
Sigurd gähnte, während er die Blätter seines Buches zwischen den Fingern aufrollte.
„Die kleine Franzi? Ach, das ist wohl die