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Ernst Friedrich Vangerow
ließen sich die Echinodermreste nur als solche sicher erkennen, aber nicht weiter einordnen. Wahrscheinlich sind es aber Panzerplatten und Stachelreste von Seeigeln. Das Aussehen der Fossilien erinnerte mich sofort in die Mikrofossilien der Aachener Kreidemergel. Nach meiner Kenntnis dieser Gesteine möchte ich die fraglichen Fossilien als umgelagerte Kreide deuten.
Ich glaube, daß die gefundenen Fossilien genügen, einige weitergehende Schlüsse daraus zu ziehen.
Das Sediment zeigt in seinem Habitus, daß es nicht weit transportiert worden sein kann, denn die meisten Quarze lassen jede Abrollungserscheinungen vermissen. Andererseits muß es schon recht gut sortiert sein, da es ziemlich gleichkörnig ist. Offensichtlich kommt als Lieferant des Materials nur das Hohe Venn mit seinen vielen Gangquarzen in Frage, denn die sandigen Sedimente des Devons und Karbons hätten bei ihrer Verwitterung vorwiegend gerundetes Material geliefert; erst recht sehen die Sande der Aachener Kreide (Aachener Sand, Vaalser Grünsand) ganz anders aus und zeigen starke Abrollung. So können wir eine Transportrichtung von Süden annehmen.
Die Fossilien sind sicher auf sekundärer Lagerstätte, denn einmal sind Sande, wenn sie nicht kalkig sind, sehr arm an Mikrofossilien und führen vorwiegend Sandschaler, zum anderen zeigt die Zerbrechung und Abrollung der Fossilien einen gewissen Transport an. Sehr weit kann dieser Transport nicht gewesen sein, schon gar nicht zusammen mit dem scharfen Quarzsand, sonst wären nicht die empfindlichen Globigerinen gelegentlich vollständig zu finden.
Die Entstehung des Sedimentes ist also etwa wie folgt zu denken: Ein Bach, der vom Hohen Venn nach Norden floß, hat sich in den Dolomit des unteren Kohlenkalkes eingeschnitten und nahm in der Gegend des heutigen Aufschlusses Seitenbäche aus einem Gebiet mit Kreidebedeckung auf. Als er sein tiefeingeschnittenes Bett aus irgendeinem Grunde zusedimentierte, hat er dann auch etwas Kreidematerial mit in der Rinne abgelagert.
Heute befindet sich das nächste Vorkommen von Kreide (Senon) etwa 7 km Luftlinie nach Westen bei Hitfeld und Lichtenbusch südlich Aachens. Dies sind jedoch nur die letzten isolierten Ausläufer der klastischen Unterstufe der Aachener Kreide. Die kalkige Fazies liegt heute noch weitere 5 km nach Westen, und auch die Reste einer früheren Verbreitung der kalkigen Fazies liegen noch 2 km weiter westlich auf den Höhen des Aachener Waldes in Gestalt des „Feuerstein-Eluviums".
Einen solch weiten Transportweg könnten zwar die abgerollten Bryozoen und Echinodermenreste hinter sich haben, aber niemals solch zarte Gebilde wie die Globigerinnen. Die Kreidebedeckung muß also wesentlich weiter nach Osten gereicht haben als heute. Und nicht nur die klastische Fazies, sondern besonders auch die kalkige, aus der ja die gefundenen Fossilien kommen. Da das Venn sich im Quartär noch beträchtlich gegen das Vorland gehoben hat 1 ), ist es nicht verwunderlich, daß hier die Kreideschichten restlos weggeräumt sind.
Das Alter der Rinne ist nach oben hin schwer anzugeben, da keine „autochtho- nen“ Fossilien gefunden werden. Jedoch liegt es nahe, sie wenigstens ins Tertiär zu stellen. Die tief eingeschnittenen Täler des Vichtbaches und der Inde sind sicher
*) Breddin, H.: Lehrausflug in die Aachener Kreide; Morphologie des Nordabfalls der Eifel und des Hohen Venns am 23 . August 1937 . —Z. deutsch, geol. Ges., 89 , 56 ' 8 — 577 , 6 Abb., Berlin 1937 .