Ornithologisch sowie auch kulturell besonders lohnenswert ist ein Besuch der Klosteranlagen in der Umgebung von Leh. Sie lagen ehemals an oft schlecht zugänglichen, felsigen Orten, an denen die Behausungen der Mönche gleich Schwalbennestern an den Felsen angeklebt zu sein scheinen (s. Abb. 7). Heute sind einige Klöster aber auch gut mit dem Jeep zu erreichen. Schon beim Aufstieg zu einer solchen Klosteranlage bemerkt man die zahlreichen Alpenkrähen (Pyrrhocorax pyrrhocorax), die im rasanten Fluge die Gebäude am Felsgipfel umkreisen. Einzelne Kolkraben (Corvus corax tibetanus) sind ebenfalls anwesend. Sie stolzieren mit geringer Scheu auf dem Hauptplatz des Klosters umher in Erwartung einiger Futterbrocken, die die Mönche ihnen zuwerfen. Nur am Kloster Spitok schien ein Paar Baumfalken (Falco subbuteo) ansässig zu sein. Weitere Greifvögel im Gebiet sind der T u r m f a I k (Falco t. tinnunculus) und der Schwarzmilan (Milvus migrans lineatus).
Am Rande der Klosteranlagen stehen zahlreiche sogenannte Tschörten, in denen die Überreste von hochgestellten Persönlichkeiten verwahrt werden, daneben zum Teil kilometerlange Steinmauern (s. Abb. 8). Hier konnten wir oftmals in den zahlreichen Mauerspalten Nester von Tibetanischen Schneefinken ( Montifringilla adamsi) finden. Im gleichen Lebensraum, also in der Übergangszone zwischen bewässerten Feldern und trockenem felsigen Hinterland, gelang uns einmal der Nachweis eines <3 der Zippammer (Emberiza cia stracheyi).
Mit zu den eindruckvollsten Erlebnissen aber gehört eine Exkursion an das Ufer des Indus. In groß geschwungenen Mäandern durchströmt der hier noch schmale Indus das Tal. An vielen Stellen liegen Inseln mit Weidendickichten inmitten des Stromes. Der breite Auebereich wird von den Bauern um Leh als Weidegebiet für ihre Yaks (Bos grunniens) und Schafe genutzt.
An den Flachwasserzonen konnten wir im August schon die ersten durchziehenden Limikolen beobachten. Neben dem häufigeren Bruchwassserläufer (Tringa glareola) sahen wir zweimal den Waldwasserläufer (Tringa ochropus), den Flußuferläufer (Tringa hypoleucos) und einen einzelnen Temminkstrandläufer (Calidris tem- minckii). Besonders überrascht waren wir allerdings als wir hier in 3500 m ü. M. einen adulten Kormoran (Phalacrocorax carbo sinensis) den Indus abwärts fliegen sahen.
Zu den auffälligsten Vögeln der Weidendickichte zählt freilich der Karmingimpel (Car- podactus erythrinus roseatus). Überall ist der melodische Gesang des <3 am Indus zu hören. Im gleichen Biotop fanden wir die Meena-Taube (Streptopelia orientalis meena) und mehrfach den Z i I p z a I p (Phylloscopus collybita sindianus). Auf feuchten Wiesen und vor allem dort, wo Vieh weidet, suchen Wiedehopfe (Upupa epops), Bachstelzen (Motacilla alba alboides) und Zitronen stelzen (Motacilla citreola citreoloides) Nahrung. Alle Arten führten zur Zeit flügge Jungvögel. Unregelmäßiger als die vorhergehenden Arten ist die Kleine F e I d I e r c h e (Alauda gulgula Ihamarum) auf den Wiesen anzutreffen. Ebenfalls nur in der Niederung sahen wir als einziges freilebendes Säugetier während unseres Aufenthaltes in Ladakh den nur 20 cm großen Himalaya-Pfeifhasen (Ocho- tona roylei), der als Anpassung an die Kälte des Hochgebirges kleine, rundliche Ohren besitzt.
Literatur
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Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Biol. Frank Neuschulz, Gartenstraße 7, D 3131 Gorleben 1.
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