Die Sturmmöwe (Larus canus) als Nahrungsschmarotzer

von Hartmut und Winfried D i 11 b e r n e r

Das Nahrungsschmarotzen verschiedener Laridenformen ist in den letzten Jahrzehnten ein beachtenswertes Phänomen geworden. Umfangreichere Arbeiten zu diesem Thema wurden von Bergmann (1960) und Stichmann (1965) beigesteuert. Das Nahrungsschmarotzen der Sturmmöwe (Larus canus) wurde relativ früh durch Steinbacher (1929) vom Berliner Müggel­see beschrieben. Dieser Art hatte sich auch Bezzel (1958) ausführlicher gewidmet. Diesem Verhaltenskomplex sind wir durch unsere Tätigkeit mit der Wasservogelwelt schon mit Beginn unserer Beobachtungsaufnahme begegnet. In einer umfassenden Arbeit über die Sturmmöwe im brandenburgischen Raum das Manuskript wurde 1971 zum Druck eingereicht wurde auch dieser wichtigen Seite im Leben der Art größere Aufmerksamkeit geschenkt.

In den seit Manuskriptabgabe vergangenen Jahren wurden weitere wichtige Details zusammen­getragen, die hier in Auswahl dargestellt werden.

Im brandenburgischen Raum wurde das Nahrungsschmarotzen innerhalb der Art, innerhalb der Laridengruppe vor allem mit der Lachmöwe (Larus ridibundus) dabei kann auch ein wechselseitiges Verhältnis auftreten, verschiedenen Wasservogelarten (vgl. Dittberner im Druck) und mit Vertretern der Corvidengruppe beobachtet.

Außer den Lachmöwen und den Gänsesägern (Mergus merganser) werden im hiesigen Gebiet am häufigsten die Stockenten (Anas platyrhynchos) und die B I e ß r a 11 e n (Fulica atra) parasitiert.

An wichtigen Einzelnachweisen gelangen folgende:

Prachttaucher (Gavia arctica):

Zwischen dem 23. 11. bis 10. 12. 1967 rasteten max. 7 Ex. auf dem Berliner Müggelsee. Am 26. 11. konnten beim ständigen Nahrungstauchen bis zu 6 Artvertreter beobachtet werden, die von ca. 12 fliegenden und schwimmenden Sturmmöwen umgeben waren. Nur einzelne Möwen griffen auftauchende Seetaucher offenbar aber erfolglos an. Am 3.12. hielten sich bei der Seetauchergruppe ca. 15 Sturm- und 5 Lachmöwen auf. Diesmal waren die Angriffe aber bedeutend stärker. Bis zu 5 Möwen attackierten sofort einen auftauchenden Pracht­taucher. In zweistündiger Beobachtungszeit konnte mit dem 42-fachen Asiola einige wenige Male erkannt werden, daß die Sturmmöwen Erfolg hatten. Die insgesamt geringen Erbeutungs- chancen dürften darin begründet liegen, daß es den Seetauchern möglich ist, selbst größere Fische unter Wasser aufzunehmen. Am 20. 11. 1966 griffen zusammen mit einer Silbermöwe 5 Sturmmöwen nach deren Auftauchen 3 Prachttaucher mehrfach an.

Haubentaucher (Podiceps cristatus):

Das Nahrungsschmarotzen bei dieser Art konnte von uns nur einige Male in den letzten Jahren in den Monaten November/Dezember auf dem Müggelsee festgestellt werden. Auch in anderen Gebieten scheint Podiceps cristatus bisher relativ wenig parasitiert zu werden. Anders liegen die Verhältnisse im südlichen Mitteleuropa, denn Jacoby u. Leuzinger (1972) für den Bodensee und v. Känel (1977) für die Schweiz heben hervor, daß die Sturmmöwe bei dieser Art stark parasitiert.

Kormoran (Phalacrocorax carbo):

Während eines einwöchigen Aufenthaltes am Gülper See (Krs. Rathenow) wurden an der Wende August/September 1978 bis zu 17 Kormorane und stark wechselnd bis zu 20 Sturm­möwen beobachtet. Am 29. 8. schwammen und tauchten 1 ad. und 2 immat. Scharben am Süd­ufer des Sees. Während der Altvogel schon nach kurzer Beobachtungszeit einen Fisch erbeutet hatte, schwammen die beiden Jungvögel auf ihn zu und versuchten, die Beute zu ergreifen. Dieser Vorgang dauerte knapp 5 Minuten. Obwohl er trotz der hartnäckigen Bedrängnis mehr­fach ein wenig tauchen konnte, gelang es ihm nicht, die Beute zu verschlingen. Die ständig über ihn wartenden Jungvögel stießen beim Auftauchen sofort nach dem Schnabel. An der Wasseroberfläche versuchte der Altvogel durch Hochrecken und Schnabelhiebe die Jungvögel mehrfach abzuwehren. Da alle diese Manöver keinen Erfolg zeitigten, erhob er sich mit dem einige cm aus dem Schnabel herausragenden Fisch und flog eine Strecke von ca. 200 m.