Kurze Mitteilungen zu Floristik, Pflanzensoziologie; terrestrischer Bereich
Decheniana (Bonn) 134, 70 (1981)
Wahlenbergia hederacea (L.) Rchb. (Campanulaceae);
Wiederfund einer verschollenen Art im Aachener Stadtwald
Gerta Bauer
(Eingegangen am 30. 6. 1980)
Anläßlich einer Überprüfung der Standortseignung für einen geplanten Sportplatz und Jugendzeltplatz wurde bei Aachen-Bildchen (TK 25 Aachen 5202, Quadrant 3) eine Waldfläche mit angrenzendem Wiesengelände untersucht. Zu diesem Zweck wurde neben den erforderlichen Standortuntersuchungen eine Erhebung des gesamten Pflanzenbestandes durchgeführt.
Südöstlich des geplanten Zeltplatzstandortes liegt eine anmoorige Wiesenparzelle, die in ihrem zentralen Teil in einer flachmuldigen Rinne in eine Quellflur übergeht, die pflanzensoziologisch wohl überwiegend zum Verband der kalkarmen Quellfluren (Cardamino-Montion Br.-Bl. 25) gehört mit Übergängen zu den atlantischen Binsenwiesen (Juncion acutiflori Br.-Bl. 47) (Oberdörfer 1970).
Kennzeichnende Arten sind u. a. Sphagnum fallax (Klinggr.), Cardamine amara, Montia fontana (Aggregat) mit Philonotis caespitosa (Wils.), Juncus acutiflorus, Juncus bulbosus, Viola palustris, Pedicularis silvestris, Equisetum ßuviatile.
In dieser Quellflur konnte ein etwa 5—6 m 2 großer Bestand von Wahlenbergia hederacea (L.)Rchb. festgestellt werden. Der sickerfeuchte Standort ist insbesondere durch das reichliche Auftreten von Sphagnum fallax Klinggr. sowie die beiden Juncus- Arten J. bulbosus und J. acutiflorus gekennzeichnet. Wahlenbergia hederacea breitet sich auf und zwischen den Sphagnum- Polstern kriechend aus. An weiteren Moosen enthält der Standort Calliergon stramineum (Dicks.) Kindb. und Rhytidiadelphus squarrosus (L.) Warnst. Die Art scheint an diesem Übergangsbereich zwischen der typischen, von Montia fontana beherrschten Quellflur und der durch Juncus- Arten bestimmten Naßwiese gebunden zu sein. Sie baut dort, wo die Sphagnum-Polster durch Konkurrenten zurückgedrängt werden, sehr rasch ab.
Nach Hegi (1906) ist Wahlenbergia hederacea ein nord-atlantisches Florenelement der Heidemoore und Moore. Sie besiedelt in Deutschland nur im Westen und Nordwesten sehr beschränkte Areale.
Der Fund ist insoweit bemerkenswert, als Wahlenbergia hederacea in der „Roten Liste von Nordrhein- Westfalen“ (1979) in der Gefährdungskategorie A. 1.1 „Ausgerottete und verschollene Arten“ geführt wird. In der „Roten Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland“ (1977) gilt sie als „vom Aussterben bedroht“. Es handelt sich somit um eine Pflanzenart, die, wohl wegen ihrer Stenözie und der Abnahme an geeigneten Standorten, in die höchste Gefährdungskategorie gehört.
Weitere, sehr zerstreute Fundorte sind auf belgischem Gebiet am Fuße des Hohen Venns bekannt. Sie sind nach Angaben von Hirtz (mündl. Mitteilung) an ähnliche Standorte gebunden.
In den lokalen Florenwerken wird Wahlenbergia hederacea zuletzt in der „Flora Excursoria des Regierungsbezirkes Aachen“ von Foerster (1878) erwähnt. Hier wird ein Fundort „in der Nähe von Bildchen im Jahre 1876“ angegeben. Es ist möglich, daß es sich hier um den letzten Rest des von Foerster aufgefundenen Bestandes handelt.
Aufgrund dieses Fundes (einziger in NW bekannter Standort) wurde empfohlen, diese Flächen mit entsprechender Pufferzone unter Naturschutz zu stellen und auf den Bau des Jugendzeltplatzes und Sportplatzes in diesem Bereich zu verzichten.
Herrn Hans Breuer, Rheinbach, danke ich für die Bestimmung der Moose.
Literatur:
Foerster (1878): Flora excursoria des Regierungsbezirkes Aachen sowie der angrenzenden Gebiete der belgischen und holländischen Provinz Limburg; S. 248. — Aachen (Rudolf Barth-Verlag).
Hegi, G. (1906): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 1. Auf! Bd. VI, 1. Hälfte, S. 388f. — München (Lehmanns).
Oberdörfer, E. (1970): Pflanzenzoziologische Exkursionsflora für Süddeutschland. 3. Aufl. S. 30f. — Stuttgart (Ulmer).
Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland (1977). — Naturschutz aktuell, 1; Hrsg. Blab, J., Nowak, E., Trautmann, W., Erz, W. & Sukopp, H. — Münster (Westfäl. Vereinsdruckerei).
Rote Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Pflanzen und Tiere (1979). — Schriftenr. d. LÖLF, 4; Hrsg. Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung NW (LÖLF NW). — Münster-Hiltrup (Landwirtschaftsverlag).
Anschrift des Verfassers: Dr. Gerta Bauer, Margeritenring 4a, D-4710 Lüdinghausen.
