KLEINE MITTEILUNGEN

Nachtreiher (Nycticorax nycticorax) in der Artlemburger Marsch

Am 3./4. 7. 1965 unternahm die DJN-GruppeEppendorf ihre alljährliche Nachtwanderung durch die Artlemburger Marsch südöstlich von Hamburg am südlichen Elbufer. Teilnehmer waren H. Cas- sebohm, R. Hoops, V. Konrad, H. Paetzel, G. Wachenhausen, J. Wittenberg, E. Wollin.

Damals gab es den Nord-Süd-Kanal noch nicht. Als wir am frühen Vormittag (4. 7. 65) die Stelle am Elbufer erreichten, wo heute der Kanal mündet, entdeckten wir in einem kleinen, überschwemmten Bruchholz (gleich östlich der Kanalmündung) drei Nachtreiher. Als die ersten von uns die Deich­krone bestiegen, flogen unter uns zwei der Vögel aus den Weiden des Gehölzes. Die Reiher hatten in etwa ein Meter Höhe über dem Sumpf im Baum gehockt, ein dritter Vogel stand noch dort. Die anderen beiden flogen über die freie Fläche in den hinteren (uns fernen) Teil des Bruches (Beutel- meisen-Rufe von dort!), wo sie in ca. acht Meter Höhe wieder in einer Weide einfielen. - Anschlie­ßend konnten wir sie ausgiebig bestaunen! Nachdem sie erschreckt auf unser plötzliches Erschei­nen reagiert hatten, zeigten sie sich recht vertraut.

Offenbar waren es ausnahmslos Altvögel (vielleicht subadulte?), jedenfalls keine Jungvögel. Mich faszinierte derweiche Flug der etwa rabengroßen Vögel. Auf den ersten Blick hatte ich an einen Greif gedacht! - Der warme Grauton der Oberflügel und der Schwarz-Weiß-Kontrast im Gesicht mit den roten Augen. - Interessant war auch, daß die an sich doch eherauffällig gezeichneten Nacht­reiher schon auf kurze Distanz im Licht-Schatten-Gewirr der Reflexe im Laub der Bäume ver­schwanden. - Einer der Vögel rief im Flug, sicherlich vor Schreck:Quack! - Der Ruf war Graurei­her-ähnlich, erinnerte in der Intensität aber auch an einen Kolkraben.

Nach unserer Rückkehr alarmierten wir andere Hamburger Beobachter, und einige konnten in den folgenden Tagen die Reiher an derselben Stelle bestätigen. Wie ich hörte, wurden sogar zwei ange­fangene Horste gefunden.

Interessant ist, daß bereits am 22. 5. 1965 von der Elbinsel Lühesand drei Nachtreiher (ebenfalls wohl drei adulte Vögel) gemeldet wurden - sehr wahrscheinlich dieselben Stücke.

Obwohl es sich um einen ziemlichaußergewöhnlichen Nachweis handelte - Nachfeiher gelten alsausgestorbene/sporadische Brutvögel in Niedersachsen - wurde diese Beobachtung offen­bar lediglich von J. Dien in seinem Ornithologischen Jahresbericht 1966 für Hamburg (HAB 3) veröf­fentlicht. Darauf bezieht sich eine kurze Notiz inDie Vogelwelt von Hamburg und Umgebung. In der ornithologischen Literatur Niedersachsens existiert dieser Nachweis aber nicht (?)! In den Lokal-Avifaunen wird der Nachtreiher - je nach Nachweis-Stand - nicht oder nur kurz abgehandelt. Und in den zusammenfassenden überregionalen Darstellungen fehlen die Details, z.B. bei T. Car- nier in denVögeln Niedersachsens. Da geht es mehr um dieBestandsentwicklung und das Auf­treten der Art in Niedersachsen allgemein, z.B. die zeitliche Häufung der Nachweise Anfang Som­mer. Damit wird dem Leser aber kein besondersplastisches Bild vermittelt.

Literatur

Augst, H.-J. (1983):Die Bedeutung und Entwicklung des Dümmers als Lebensraum für Brut- und Gastvögel

Bauer K.M. & U.N. Glutzv. Blotzheim (1966):Handbuch der Vögel Mitteleuropas - Band 1 Behrens, H. e.a. (1985):Verzeichnis der Vögel Hessens

Berndt, R.K. & D. Drenckhahn (für OAG Schleswig-Holstein) (1974):Vogelwelt Schleswig-Hol­steins -1. Band

Brauneis, W. (1985):Die Vogelwelt des Werra-Meißner-Kreises

Brinkmann, M. (1978):Die Vogelwelt Nordwestdeutschlands

Carnier, T. (1978):Nachtreiher - Nycticorax nycticorax - inDie Vögel Niedersachsens Garberding, K.-H. & K.H. Nagel (1984):Die Bedeutung und Entwicklung des Steinhuder Meeres als Lebensraum für Brut- und Gastvögel

Goethe, F. & H. Heckenroth, H. Schumann (für AVIFAUNA Niedersachsens) (1978):Die Vögel Nie­dersachsens - Band 1

Grosskopf, G. & D. Ku\ehn (1983):Vogelwelt des Landkreises Stade

Heckenroth, H. (1985):Atlas der Brutvögel Niedersachsens 1980