verfolgen konnte, nicht entschieden. Zeitweise flogen zwei Nebelkrähen (Corvus corone cor- nix) hinzu, die auf einem nahegelegenen Acker nach Nahrung gesucht hatten, und griffen die Kolkraben - nicht die Milane - mit Sturzflügen an. - Ein Hinweis auf besonders gespannte Beziehungen zwischen Nebelkrähen und Kolkraben?
Auf den weiten, grasbewachsenen, relativ sanft und gleichmäßig geneigten Hängen des Queyras, eines verzweigten Hochtales in den französischen Südwestalpen nahe dem Monte- Viso-Massiv, überschneiden sich stellenweise die Lebensräume von Rabenkrähe, Kolkrabe, Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax) und Alpendohle (Pyrrhocorax graculus). Ein gemeinsames Vorkommen dieser vier Arten konnte ich z.B. in den Sommern 1987 und 1988 auf den Wiesen und Weiden oberhalb des Dorfes Pierre Grosse, Gemeinde Molines-en-Queyras, in einer Höhe von ca. 1800 bis ca. 2300 m beobachten: Rabenkrähen traf ich hier zu zweit oder in Gruppen um fünf Vögel ruhend oder bei der Nahrungssuche an. Sie wirkten etwas phlegmatisch und relativ vertraut im Vergleich mit den sehr lebhaften und scheuen Alpenkrähen, die ebenfalls paarweise oder in kleinen Gruppen vormittags auf frisch gemähten Wiesen um das Dorf herum im Boden stocherten. Im Bereich der höher gelegenen, durch Felspartien unterbrochenen alpinen Matten streiften sie auch in größeren Trupps von ca. 10 bis 30 Vögeln umher. Alpendohlen waren nur hier anzutreffen: Von einem Ruheplatz an der Gardiole de l’Alp, einem ca. 2 800 m hohen Gipfel mit nach Norden steil abfallender Felswand, flog ein Schwarm von etwa 80 bis 100 Vögeln dieser Art über den angrenzenden Weiden und Felsgraten, um sich hier und da zur Nahrungssuche niederzulassen. Aggressionen zwischen Rabenkrähen und Angehörigen der beiden anderen Arten konnte ich nicht feststellen, somit bisher keine Anzeichen für eine von Lebreton (1977, p. 286) befürchtete Beeinträchtigung der Gebirgsrabenvögel durch den häufigen Kulturfolger Rabenkrähe.
Obwohl sich Angehörige aller drei Arten in der Umgebung einer etwa 2200 m hoch gelegenen „Bergerie“ (eines Stallkomplexes für Schafe) aufhielten, war andererseits eine Vergesellschaftung der Rabenkrähen mit Alpendohlen und Alpenkrähen nicht mit Sicherheit auszumachen. „Freundliche“ Kontakte der letzteren beiden Arten untereinander waren dagegen nicht selten: Unter den Alpendohlenschwarm an der Gardiole de l’Alp hatten sich am 8. 8. und 12. 8.1987 mehrere Alpenkrähen gemischt, und am 15. 8. 1988 schloß sich ihm ein Vogel dieser Art für kurze Zeit an. - Ein weitestgehend friedliches Neben- und Miteinander von Angehörigen der beiden Pyrrhocorax- Spezies also auch hier in den französischen Südwestalpen (vgl. Lebreton 1 .c., p. 282; Schirmers 1988).
Keineswegs so friedlich erscheint mir dagegen die Beziehung zu ihrem größten und stärksten Verwandten: Am späten Nachmittag des 12. 8.1987 beobachteten meine Frau und ich einen Schwarm von 27 Alpenkrähen bei der Nahrungssuche auf einer abschüssigen, zu beiden Seiten von Kalkschieferfelsen eingerahmten Rasenpartie in etwa 2500 m Höhe am Hang oberhalb Pierre Grosse. Unter ihnen befanden sich mehrere Jungvögel. Plötzlich und nach unserem ersten Eindruck ganz unmotiviert erhob sich der Schwarm unter lautem Warngeschrei und flog über den nahen Berggrat davon. Als Grund für den erregten Abzug der Alpenkrähen konnten wir nur zwei Kolkraben erkennen, die sich auf einem ihrer auch sonst öfter zu beobachtenden Streifflüge am Hang entlang der beschriebenen Stelle von Osten her näherten. Am 14. 8., nicht weit davon entfernt, ein ähnliches Zusammentreffen: Diesmal wurde eine Gruppe von 8 Alpenkrähen, zu der auch wieder Jungvögel gehörten, durch das Auftauchen zweier Kolkraben beunruhigt und zur Flucht veranlaßt. Nach dem, was über den Nahrungserwerb der Kolkraben bekannt ist (vgl. z.B. Goodwin 1976, p. 139), erscheint es mir recht wahrscheinlich, daß sie auch flügge, aber noch unerfahrene und ungeschickte Alpenkrähen nicht verschmähen würden. Die zunächst überraschende Angst von Alpenkrähengruppen, die Jungvögel führen, wird von daher verständlich.
Im Juli 1990 hatten wir in den Karawanken Gelegenheit, Alpendohlen beim Führen und Füttern ihrer flüggen Jungen zu beobachten, und zwar am 18. 7. bei einem Schwarm von ca. 50 Vögeln, der sich auf dem Gipfel des Hochobir (2142 m) aufhielt. - Entsprechend wohl auch hier nicht von ungefähr ein gespanntes Verhältnis zum Kolkraben: Wir stellten es am Hauptkamm der Karawanken fest, im Bereich der weißen Kalkfelsen von Bielschitza (1958 m) und Hochstuhl (2237 m), der höchsten Erhebung dieser Alpenregion. Am Nachmittag des 20. 7.
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