binären Nomenklatur dieser Gattung den NamenOphrys", weil ihre äußeren Blütenblätter augenbrauenförmig gestaltet sind, doch ist es auch möglich, daß, wie Füller schreibt, Linne diesen Namen von Plinius übernommen hat. Jener bezeichnete schon damals eine uns unbekannte zweiblättrige Pflanze mit diesem Namen, den es also bereits im Altertum gegeben hat.

Wie oben schon erwähnt, geben die Lippenformen der Ophrys-Arten noch immer Rätsel auf, die nicht alle gelöst sind. Aber gerade diese rätselhaften Blüteneinrichtungen lassen die Pflanze als so überaus reizvolle und interes­sante Erscheinungen unserer heimischen Pflanzenwelt hervortreten.

Während der Gattungsname wie oben schon besprochen aus dem Grie­chischen stammt, ist der Artname dem Lateinischen zuzuschreiben und diese jeweilige Bezeichnung besteht aus zwei Wortteilen. Der erste Wortteil be­zeichnet ein in der Lippenform dargestelltes Insekt, während der zweite Teil das lateinische Wort fürtragen" ausdrückt. So ergeben sich für die Fliegen-Ragwurz der Name Ophrys muscifera, für die Spinnen-Ragwurz Ophrys aranijera und die Bienen-Ragwurz der lat. Name Ophrys apifera, man kann also die gesamten Artbezeichnungen mit fliegentragend, spinnen­tragend und bienentragend üübersetzen. Nur bei der vierten Ophrys-Art, der Hummel-Ophrys, welche Ophrys juciflora heißt, setzt sich der Name aus fuca (Hummel) und flora (Blüte) zusammen und bedeutet somit hummel- blütig.

Wie bei allen Orchideen sind auch bei den Ophrys-Arten die Fortpflan­zungsbedingungen äußerst schwierig, woraus sich zum großen Teil das sel­tene Vorkommen der Pflanzen erklärt. Ihre staubfeinen Samen können nur mit Hilfe mikroskopisch kleiner Wurzelpilze zur Keimung kommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzenfamilien bringen die Orchideensamen fast keine Nährstoffe für den Aufbau des Keimlings mit, so daß sie für den Anfang unbedingt auf die Hilfe des Nährpilzes angewiesen sind. Hat nun die Frucht einer Ophrys-Art ihre vielen Tausend Samen entlassen, so müs­sen diese sich erst mit dem Wurzelpilz infizieren, ehe die Keimung beginnen kann. Da aber durchaus nicht überall im Boden die für die Keimung notwen­digen Pilze vorhanden sind, können die meisten Samen trotz ihrer durch den Wind besorgten weiten Streuung nicht keimen. In Anbetracht dieser beschränkten Keimungsmöglichkeit ist es verständlich, daß die Ragwurzarten nur eine sehr geringe Verbreitung finden. Hinzukommt, daß für die Entwick­lung von der Samenkeimung bis zur ersten Blüte viele Jahre benötigt wer­den.

Außer den oben betrachteten Fortpflanzungsbedingungen, sind auch die Fortpflanzungsorgane der Ophrys-Arten, ihr Bau und ihre Funktionen nicht völlig geklärt. So ist zum Beispiel auch jetzt noch weitgehend unbekannt, warum die Bienen-Ragwurz von der bei den meisten Orchideenarten be­kannten Fremdbestäubung abweicht und ihre Organe zur fast ausschließ­lichen Selbstbestäubung ausgebildet hat. Trotzdem ist auch bei ihr Fremd­bestäubung möglich. Früher vertrat man die Ansicht, daß alle Ophrys-Arten gar keinen Insektenbesuch wünschen, weil sie in der Ausbildung ihrer Lip­penformen Insekten nachahmen und damit den Eindruck erwecken, als sei die Blüte bereits von einem Insekt besetzt. Diese Meinung vertritt man je-

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