ORNITHOLOGISCHE MITTEILUNGEN

5. Jahrgang Nr. 5 Mai 1953

Neue Möglichkeiten und Ergebnisse der biologischen Schädlingsbekämpfung **)

Von Jost Franz, München Commonwealth Institute of Biological Control*)

Die biologische Schädlingsbekämpfung als eine unter mehreren der bestehenden Methoden des Pflanzenschutzes ist bei uns in den letzten Jahrzehnten recht in den Hintergrund getreten, vor allem Dank der erstaunlichen Fortschritte anderer Verfah­ren. Ich möchte daher in diesem gedrängten Überblick weniger auf eine Schilderung der Erfolge als auf die Prinzipien des Verfahrens inmoderner Sicht eingehen. Dies geschieht zweckmäßig, indem ich die Schwierigkeiten schildere, die sich einzustellen pflegen, wenn man biologische Bekämpfung plant und ausführt, und in­dem ich andeute, wie diese durch neue Methoden zum Teil überwunden werden können.

Vorher ein Wort zur Begriffsbestimmung: Unter biologischer Schädlingsbekämp­fung, la lutte biologique, biological control, versteht man heute fast durchgehend die Verwendung von Lebewesen zur aktiven Verminderung oder Vertilgung schädlicher Pflanzen oder Tiere (30). Es hat sich rein arbeitstechnisch bewährt, den Begriff rela­tiv eng zu fassen und nicht verwandte Gebiete, wie Resistenzzüchtung, Kulturmaß­nahmen usw. mit einzubeziehen, auch wenn in der Praxis diese Dinge gelegentlich ineinander übergehen. Der übergeordnete Begriff ist: ökologischer Pflanzenschutz. Üblicherweise teilt man die hilfreichen Organismen ein in Parasiten, Räuber und Krankheitserreger. Eine vorzügliche deutschsprachige Zusammenfassung dieser Grund­satzfragen und der Weltliteratur bis 1939 verdanken wir Sachtleben (30), so daß wir uns heute auf das Schrifttum der letzten 15 Jahre beschränken können.

Wohl bekannt ist das klassische Beispiel einer gelungenen biologischen Bekämp­fung, nämlich die nachträgliche Einfuhr eines Marienkäfers (Rodolia cardinalis Muls.) aus Australien nach Californien, Ende vorigen Jahrhunderts. Hierdurch wurde da­mals die Übervermehrung einer ebenfalls aus Australien stammenden Schildlaus (Icerya purchasi Mask.) innerhalb weniger Jahre eingedämmt. Dieser Fall und zahl­reiche andere, die später folgten, hatten die in unsere Methode gesetzten Erwartun­gen sehr hoch geschraubt. Was man erst als den Normalfall einer biologischen Be­kämpfung ansah, das entpuppte sich mit der Zeit immer mehr als ein besonders ein­facher Sonderfall. Er ließ sich nicht beliebig wiederholen, da viele Komplikationen im Laufe der Zeit dazukamen. Sie führten, vor allem in Europa, zur enttäuschten Resignation, und erzeugten andererseits, vor allem in den angelsächsischen Ländern und neuerdings auch in Rußland, das intensive Bemühen, die neuen Schwierigkeiten zu erkennen und zu überwinden.

Wir wollen diese Schwierigkeiten hier in drei etwas willkürlichen Gruppen be­sprechen: 1. solche, die Planung und vorbereitende Arbeiten betreffen, 2. jene, die sich besonders bei der praktischen Ausführung der Bekämpfung einstellen, und 3. solche, die auf äußerer Beeinflussung der Hilfsorganismen beruhen.

Planung und Vorbereitung der biologischen Bekämpfung wird oft da­durch kompliziert, daß wir die Formen und Lebensansprüche vieler Nützlinge zu mangelhaft kennen. Gerade das taxonomisch-ordnende Bemühen der wenigen bei uns noch existierenden Spezialisten bedarf intensivster Unterstützung. Neue Parasiten-

*) jetzt: Institut für Kartoffelkäferforschung und Biologische Schädlingsbekämpfung Darmstadt **) Zweitabdruck eines auf der Pflanzenschutztagung 1952 in Münster gehaltenen Hauptrefe­rats, dessen grundlegender Inhalt auch für die Angewandte Ornithologie von Bedeutung ist.

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