die zwischen 90 und 100 Atemzügen in der Minute liegt. Setzt die Lerche ihre At­mungstätigkeit während des Gesanges fort oder muß sie wie der menschliche Sänger die Luft anhalten? Wenn auch der Vogel vielleicht eine bessere Atemtechnik hat und Luftreserven in den Luftsäcken, so bleibt das Ergebnis von 6 Minuten Gesangsdauer immer noch rätselhaft. Wenn aber der Gesang während des Atmens vorgebracht wird, muß sich der Klang ändern entsprechend den Bedingungen, die beim Einatmen oder Ausatmen im Stimmapparat herrschen. Einige Ornithologen glauben, beim Gesang der Feldlerche und des Girlitz' solcheSchwebungen" zu hören (2).

Neben den Beziehungen des Gesanges zur Stoffwechselphysiologie ist seine Bedeutung im Geschlechtsleben der Vögel von großem Interesse. Im allgemeinen singen nur die männl. Individuen. In der Gefangenschaft findet man auch singende weibl. Rotkehl­chen, Stare und Dompfaffen; allerdings singen sie zumeist leiser und unregelmäßiger oder auf andere Weise als die Männchen derselben Art. Dompfaffweibchen sangen im Käfig in der Zeit vom September bis Ende Februar, also bis zum Einsatz der Brut­periode. Während der Paarungszeit sangen diese Weibchen nicht.

Trotz dieser Ausnahmen steht der Gesang in Abhängigkeit von der Hodenfunktion. Der Hodenzyklus bedingt dieGesangesdisposition". Die Ergebnisse einiger Experi­mente sollen zur Veranschaulichung dienen: Dompfaffmännchen, denen die Hoden entfernt wurden, hörten sofort nach dem Eingriff mit dem Gesang auf. Wenn Haushähne vor dem Eintritt der Geschlechtsreife kastriert werden, bleibt die Syrinx in ihrer Entwicklung zurück und die Muskulatur und die Membranen bleiben schwach. Sie krähen nicht, machen höchstens Anläufe dazu, bringen aber nur heisere oder gluck­sende Töne hervor. Auch folgendes Experiment beweist den Gesang als sek. Ge­schlechtsmerkmal: Bekanntlich besitzen die meisten weiblichen Vögel nur einen Eier­stock auf der linken Seite. Der andere verkümmert entweder ganz oder bleibt rudi­mentär. Entfernt man nun den Hennen diesen linken Eierstock, so bildet sich aus der rechten Keimdrüsenanlage ein Hoden. In einigen Fällen bildet dieser Hoden auch reife Samenfäden aus. Solche kastrierte Hennen nehmen das Aussehen und Gebaren von Flähnen an und krähen auch. Wenn also Weibchen singen, so ist dies ein Sonderfall.

Gerade in der Gefangenschaft sind Vogelweibchen sehr empfindlich und bilden häufig ihren Eierstock völlig zurück. Solche geschlechtlich neutralen Weibchen reagieren möglicherweise, wenn sie allein sind, wie Männchen auf ihre Umwelt und beginnen zu singen.

Diese Ausnahme darf uns nicht dazu bewegen, die Gesangesdisposition von der Hodentätigkeit abzulösen. Im Gegenteil, viele histologische Untersuchungen haben ergeben, daß der Gesang in einem engen Zusammenhang mit dem Jähreszyklus der Hodentätigkeit steht. Dieser Zyklus verläuft folgendermaßen: Früh im Januar da­bei spielen die Lichtverhältnisse eine Rolle- in milden Wintern teilweise schon im Dezember setzt eine Vergrößerung des ruhenden, zurückgebildeten Hodens ein. Rasch vergrößert er sich auf das 200-fache seines Umfanges. Dann hat er seine volle Größe erreicht und produziert massenhaft Samen. Mit dem Beginn der Hodenvergrößerung ist auch die Gesangesdisposition gegeben. Besondere Umweltfaktoren wirken an der eigentlichen Auslösung des Gesanges mit. Der Höhepunkt der Gesangesperiode fällt mit dem Höhepunkt der Hodentätigkeit zusammen.

Im Juli etwa hört die Samenbildung auf und der Hoden beginnt sich zurückzu- bilden. Jetzt verringert sich der Gesang und bald darauf, sobald der Hoden völlig zurückgebildet ist, verstummt der Gesang und die Mauser setzt bei den meisten Vögeln ein. Nach der Mauser beginnt eine noch nicht näher untersuchte Hodentätigkeit, mit der der Herbstgesang in Zusammenhang stehen mag. Auch wird es sich oft um junge Männchen aus der ersten Brut desselben Jahres handeln, die geschlechtsreif werden und daher im Flerbst singen. Von den Staren ist eine echte Herbstbrunst bekannt. Es werden Eier abgelegt und Junge gezeitigt, die aber bei der kalten Witterung bald zugrunde gehen. Nicht bei allen Vögeln können wir die Zeichen einer echten Herbst­brutperiode feststellen. Vielleicht wirken sich in solchen Fällen Regenerationserschei- 142