ORNITHOLOGISCHE MITTEILUNGEN

11. Jahrgang Nr. 1 Januar 1959

Rothühner (Alectoris rufa) in Rheinhessen

Von A. Boehringer und G. Bodenstein, Ingelheim

Das Rothuhn ist noch in historischer Zeit im Rheintal vorgekommen und erst im ausgehenden Mittelalter oder zu Beginn der Neuzeit von seinen letz­ten deutschen Brutplätzen verschwunden. Später sind gelegentlich noch im Winter Rothühner im Gebiet beobachtet worden, die vermutlich aus Frank­reich zugestrichen waren oder auch aus einem der Aussetzungsversuche ge­stammt haben können, die um die Jahrhundertwende in Deutschland und Bel­gien erfolglos unternommen wurden. Bekanntlich ist dagegen in England die Einbürgerung im großen Maßstabe geglückt. Die Mißerfolge in Deutschland und Belgien sind wohl in erster Linie auf Fehler beim Aussetzen, zum Teil wohl auch auf Nichtbeachtung der Klima- und Biotop-Ansprüche des Rot­huhns zurückzuführen. Wirklich geeignet für eine Wiedereinbürgerung sind bei uns nur Gebiete mit Weinbauklima und Biotope, in denen Felder, steinige und warme mit schütterem Buschwerk bestandene Trockenhänge, Ödland und lichte Baumbestände abwechseln. Derartige Gebiete haben wir in der näheren Umgebung von Ingelheim in größerer Zahl und haben daher hier bei sich bie­tender Gelegenheit im Frühsommer 1956 den Versuch gemacht, Rothühner auszusetzen. Wir erhielten die Hühner in zwei Sendungen durch Luftfracht durch einen guten Bekannten aus Nordost-Spanien. Insgesamt wurden etwa 50 Rothühner freigelassen. Die erste Sendung enthielt in Uberzahl Hähne. Die Hühner kamen in relativ guter Verfassung an; da sie in einer Eingewöhnungs­voliere schlecht Futter aufnahmen und scheu waren, wurden sie bei der er­sten Sendung am Tage nach dem Eintreffen freigelassen, nachdem sie mit Radolfzeller Ringen gekennzeichnet waren. Die zweite Sendung traf leider während unserer Abwesenheit ein, und die Vögel wurden daher gleich nach Ankunft freigelassen; diese Rothühner konnten nicht alle beringt werden, da die Ringe ausgingen.

Der Aussetzungsort liegt in einem aufgelassenen Steinbruch im Weinberg­gelände bei Nieder-Ingelheim und grenzt unmittelbar an die auf der rhein­hessischen Hochebene liegenden Äcker und Streuobstanlagen. Brachliegende Hänge mit Gras und Buschwerkbeständen und Hecken sind dort reichlich vor­handen. Das Gebiet ist also für Rothühner gut geeignet. Tatsächlich sind die Hühner auch dort geblieben. Im Frühjahr 1958 wurden am Auflassungsort 2 Paare festgestellt (W. Boehringer, Rev.-Jäger Greiner, Dr. Bodenstein), in dem nicht sehr weit entfernten Steinbruch Ober-Ingelheim wurde im Sep­tember 1958 ein Volk von 7 Hühnern beobachtet (Rev.-Jäger Oeth), und auf der angrenzenden Feldflur kam es ebenfalls gelegentlich zur Beobachtung meist paarweise zusammenhaltender Rothühner. Ein einzelner Hahn hatte sich einem Volk Rebhühner auf dem Ingelheimer Sand angeschlossen und wurde bei der Hühnerjagd versehentlich geschossen, ein Paar zeigte sich mehrfach bei einer Sandgrube in der Nähe der Bundesstraße 9 b. Bei diesen Hühnern dürfte es sich um ein Paar handeln, das zunächst in der Fasanerie des Jäger­hofs gekäfigt war und erst später freigelassen wurde.

Man sieht also, daß die Hühner trotz der etwas plötzlichen Freilassung in einem völlig unbekannten Gebiet nicht verstrichen sind, sondern sich in un­mittelbarer Nähe des Auflassungsortes gehalten haben. Ob 1958 eine Vermeh­rung stattgefunden hat, läßt sich nicht eindeutig sagen, da es sich bei dem er-

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