ORNITHOLOGISCHE MITTEILUNGEN
11. Jahrgang Nr. 7 Juli 1959
Zum Brutvorkommen und zur Brutbiologie der Zippammer (Emberiza cia cia L.) im Moseltal
Von Bernhard Jakobs, Trier/Mosel
Bei der Durchsicht der meist spärlichen Angaben im vogelkundlichen Schrifttum über das Brutvorkommen der Zippammer im Moseltal gewahrt man mit einigem Erstaunen, daß die betreffenden Ausführungen oft sehr allgemein gehalten sind. 1 ) Nun besitzt der Mosellauf immerhin eine beachtliche Länge (insgesamt 542 km, damit längster Nebenfluß des Rheines); er erstreckt sich durch verschiedene landschaftliche Räume. Ausgehend vom Bergland der Südvoge- sen (Moselquelle: 735 m ü. NN) windet sich der Fluß durch das Lothringische Stufenland, berührt das Luxemburger Tafelland und tritt schließlich bei Schweich in das Rheinische Schiefergebirge ein (an der Mündung in den Rhein nur noch rd. 60 m ü. NN).
In diesem langgestreckten „Raum" ist die Art in ihrem Brutvorkommen jedoch nur auf das untere Moseltal beschränkt, da sie, gemäß ihren Biotopansprüchen, nur hier geeignete Örtlichkeiten — nämlich steile sonnige Hänge mit Felspartien, Gebüsch (oft sog. Eichenschälwald) und Rebenbeständen — vorfindet. Zur Veranschaulichung dieses Lebensraumes sei noch erwähnt, daß das untere Moseltal als ein mäanderförmig ausgebildetes Erosionstal infolge der tiefen Einsenkung weitgehend gegen rauhe Winde geschützt ist; die mittlere Jahrestemperatur beträgt hier 10° C und mehr, in der Eifel (bei 200—500 m Seehöhe) dagegen nur 7—9° C. Im Sommer steigt die Temperatur oft auf 30° an, ja selbst auf 38° C (Juli 1957). Durch den Bau des „Moselkanals" verspricht man sich eine weitere Verbesserung des Kleinklimas (Schaffung von „Stauseen", Vergrößerung der Wasserfläche: Abgabe der gespeicherten Wärme in kalten Nächten). Da sich das untere Moseltal nun durch warme Sommer und milde Winter, ferner durch eine verhältnismäßig geringe Niederschlagsmenge auszeichnet (600 mm Regenhöhe; die Eifel rd. 700—800 mm), erscheint es nicht verwunderlich, daß der Frühlingseinzug (22.-28. IV. Apfelblüte) hier viel früher — etwa drei bis vier Wochen — als auf den Eifel- und Hunsrückhöhen stattfindet. Auch in den Ankunftsdaten mancher unserer Zugvögel spiegeln sich diese Tatsachen wieder. Darüber hinaus gehören diese Daten aus dem Moseltal zu den frühesten in ganz Deutschland; dies ist jedoch teilweise bedingt durch die südwestliche Randlage des Gebietes (im Verhältnis zu Gesamtdeutschland). Der Gesangsbeginn einiger sog. Standvögel liegt ebenfalls sehr früh; bei Kohl- und Blaumeise oft schon in der zweiten Dezemberhälfte.
Unter diesen günstigen klimatischen Verhältnissen konnten sich bis in unsere Zeit hinein an den bis zu 50° geneigten Prallhängen zahlreiche wärmeliebende — submediterrane und subsarmatische — Pflanzen- und Tierarten
1 ) Genaue Fundortangaben finden wir bei le Roi (Die Vogelfauna der Rheinprovinz, Bonn 1906.), le Roi und Frhr. Geyrv. Schweppenburg (Beiträge zur Or- nis der Rheinprovinz, Bonn 1910.), le Roi und Reichensperger (Die Tierwelt der Eifel in ihren Beziehungen zur Vergangenheit und Gegenwart, Eifel-Festschrift, Bonn 1913; mit einer sehr anschaulichen Verbreitungskarte.) und zuletzt bei Neubaur (Beiträge zur Vogelfauna der ehemaligen Rheinprovinz, Bonn 1957). Letzterer schreibt u. a.: „Ich beobachtete sie häufig bei Cochem, an allen geeigneten Stellen des mittleren Moseltales, ... — Ob zwei Jahresbruten bei uns stattfinden, ist noch nicht geklärt." (Unter „mittleres Moseltal" verstand Neubaur, als er dies schrieb, den Abschnitt von der luxemb. Grenze bis Cochem; briefl. Mitt.)
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