ORNITHOLOGISCHE MITTEILUNGEN

13. Jahrgang Nr. 10 Oktober 1961

Zahnmißbildungen von Wühlmäusen aus Eulengewöllen

Von Helmut Altner (Zoolog. Institut der Universität München)

Durch Analyse von Eulengewöllen können wertvolle Einblicke in die Nah­rungszusammensetzung und die Biologie der Eulen gewonnen werden; dane­ben erhält man wertvolle Erkenntnisse über Verbreitung und Populations­dynamik der Beutetiere (vgl. Kahmann, 1953). Daneben aber besteht bei gro­ßen Aufsammlungen, die Tausende von Nagetierschädeln enthalten, die Mög­lichkeit, auch interessante Abnormitäten im Gebiß der Beutetiere zu finden, die sonst wegen ihrer Seltenheit kaum bekannt werden.

Das Gebiß der Wühlmäuse (Microtinae) ist in hohem Maß an die Bearbeitung von hartem Material, das die Kaufläche erheblich beansprucht, angepaßt. Hier schließen sich die Molaren erst spät im Laufe der Ontogenie wie bei der Rötelmaus (Clethrionomys glareolus) oder sie wachsen während des ganzen Lebens ständig weiter. Dies ist der Fall bei Schermaus (Arvicola terrestris), Erd- und Feldmaus (Microtus agrestis, M. arvalis).

Da die Zähne des Ober- und Unterkiefers gegeneinander arbeiten und sym­metrisch abgenutzt werden, können Störungen im Bereich des Kauapparates, die die Symmetrie aufheben, zu Mißbildungen führen. Die vorliegenden Stücke stammen aus Gewöllen der Schleiereule (Tyto alba).

Am auffallendsten ist ein übermäßiges Auswachsen der oberen Nagezähne, die die normale Berührung mit den unteren Nagezähnen verloren haben. Abb. 1 zeigt den Oberschädel einer Schermaus, deren Nagezähne in großem Bogen ausgewachsen sind.

Abb. 2 zeigt die normale Ausbildung der Nagezähne. Dafür liegt hier aber eine Mißbildung der Molaren vor, die schief abgekaut sind und jeweils an der rechten Kante weit ausgewachsen sind, wie es besonders an den zugehörigen Unterkieferästen (Abb. 3) gut zu erkennen ist.

Verschieden starke Ausprägung solcher Anomalien verdeutlicht Abb. 4 an Unterkieferästen der Feldmaus. Der obere Unterkieferast zeigt die normale Ausbildung der Zahnreihe, am mittleren ist eine Verlängerung sämtlicher Bak- kenzähne zu erkennen, am unteren ein gewaltiges Auswachsen des vorderen Teils des ersten Molaren.

Über die Entstehung solcher Veränderungen ist noch nicht volle Klarheit gewonnen. Es sind Verletzungen der Kaumuskulatur, Abszesse im Kieferbe­reich und Zahnbeschädigungen als Ursachen bekannt geworden. Andererseits ist die Möglichkeit gegeben, daß genetisch fixierte Anomalien vorliegen. Da­neben wird an einen Einfluß der Nahrungszusammensetzung in einer bestimm­ten Entwicklungsphase gedacht. Sicher sind solche Tiere beim Nahrungser­werb behindert und dürften schließlich an den Mißbildungen zugrunde gehen. Daß jedoch ein hoher Grad an Abnormität erreicht werden kann, zeigen die vorliegenden Bilder.

Literatur:

Artimo, A.: A case of malocclusion in the muskrat, Ondatra z. zibethica L.. Arch. Soc. Vanamo, 9799, 1951

Kahmann, H.: Das Ergebnis der Zergliederung von Eulengewöllen und seine wissen­schaftliche Verwertung. Orn. Mitt. 5, S. 201206, 1953

Mohr, E.: Die freilebenden Nagetiere Deutschlands. 3. Aufl. Jena 1954

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