Beutelmeise (Remiz pendulinus [L.]) in Westfalen
Am 8. 3.1961 fiel uns während einer Exkursion in dem alten und verwilderten Park des Hauses ölck (bei Roxel, Kr. Münster/Westf.) ein kleiner, meisenartiger Vogel in einer Pappel auf. Als dieser für kurze Zeit einen niedrigen, kahlen Busch vor einer Coniferenhecke anflog, waren bei dem dunkelgrünen Hintergrund aus 2—3 m Entfernung nunmehr sämtliche feldornitholo- gischen Merkmale einer adulten Beutelmeise gut zu erkennen: Gelblichfahler Bauch, auffällig rötlich-brauner Rücken, Kopf hellgrau, deutlich abgesetzte Augenmaske. Damit hob sich der Vogel in seinem Aussehen deutlich von den im gleichen Biotop zahlreich vorkommenden Schwanzmeisen ab. Die Beutelmeise verschwand anschließend in hohen, schon leicht belaubten Trauerweiden und entzog sich der weiteren Beobachtung. Nachsuchen an mehreren folgenden Tagen blieben ergebnislos.
Die Beobachtung erfolgte in unmittelbarer Nähe einiger Teiche und Gräften mit Uferbestand von Gebüsch und Weiden sowie vorjährigem Schilf und Brennesseln, also einem durchaus als Beutelmeisen-Biotop (Niethammer 1937, S. 241) anzusprechendem Gelände. Die vorhergehenden Tage hatten außergewöhnlich mildes Frühlingswetter gebracht (2 Tage später in Münster erste Rauchschwalben!). So darf wohl angenommen werden, daß diese Beutelmeise auf dem Frühjahrszug über die Grenzen des eigentlichen Brutareals Nordwestdeutschland erreichte.
Für Westfalen liegen bisher nur sehr wenige Nachweise von Remiz -pendulinus vor. Unsicher erscheint eine Angabe über ein Vorkommen von Parus pendulinus bei Meschede/Sauerland (v.Kleinsorgen cit. 1888/89). An den Riet- berger Fischteichen (Kr. Wiedenbrück) wurden Beutelmeisen zweimal im Herbst 1959 festgestellt (Westerfrölke 1960, Möbius 1960). In die gleiche Jahreszeit fällt auch die einzige Beutelmeisen-Beobachtung am Dümmersee im benachbarten Niedersachsen (Hölscher, Müller, Petersen 1959). Im Frühjahr wurden dagegen Beutelmeisen in Nordwest-Deutschland noch nicht beobachtet, wohl mehrfach in neuerer Zeit in den Monaten März und April im angrenzenden mitteldeutschen Raum (Maass 1956, Wagner 1958, Tuchscherer 1959), über dessen alte Brutplätze Niethammer (1937) berichtet.
Da besonders in den letzten Jahren aus Süddeutschland vermehrt Beobachtungen und Brutnachweise von Beutelmeisen gemeldet wurden, ist die Frage zu stellen, ob auch bei dieser Art eine u. U. klimabedingte Ausweitung des Brutareals angenommen werden darf.
Literatur:
Hölscher, R., G. B. K. Müller, B. Petersen (1959): Die Vogelwelt des Dümmer-
Gebietes, Biol. Abb.., H. 18-21 v. Kleinsorgen cit. in Jahr. Ber. zool. Sekt. Westf. Prov. — Ver. Wiss. Kunst 1888/89,
S. 32
Maass, K. (1956): J. Ornith. 97, S. 443
Möbius, (1960): Mitt. Vogelberinger Detmold 8, S. 7—8
Niethammer, G. (1937): Handbuch der deutschen Vogelkunde, Bd. I, Leipzig Tuchscherer, K. (1959): J. Ornith. 100, S. 240 Wagner, S. (1958): Ornith. Mitt. 10, S. 96 Westerfrölke, (1960): Ornith. Mitt. 12, S. 157
Dr. E. Bertram, Dr. H. Rahmann und W. Engels, Zoolog. Institut der Universität Münster i. Westf.
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