Grundsätze einer Reform der deutschen Vogelnamen
Ich bin für eine Reform der deutschen Vogelnamen, die folgende Grundsätze beachtet:
1. Ein Vogelname darf mit der Zugehörigkeit des Trägers zu einer höheren systematischen Einheit nicht in Widerspruch stehen. Beispiel: nicht Teichhuhn, sondern Teichralle.
2. Die systematische Zugehörigkeit eines Vogels braucht aus dem Namen nicht unbedingt hervorzugehen. Beispiel: Amsel, Sperber, Kormoran.
3. Die Vogelnamen dürfen keine "Wortungetüme sein. Zweiwortige Namen sind nach Möglichkeit durch einwortige zu ersetzen. (Beispiel: Roter Milan/Rotmilan). Bei der Neubildung ist auf Kurznamen zu sehen. Wo längere Bildungen nicht zu umgehen sind, wird das Bestimmungswort durch einen Bindestrich angefügt. (Beispiel: Halsband- Wasserläufer).
4. Vogelnamen dürfen für den Vogel im Sinne des Naturschutzes nicht diskriminierend sein. Dazu gehört, daß Begriffe des Strafgesetzbuches bei der Namensgebung zu meiden sind. Beispiel: Die Raubmöwen könnten als Beutmöwen benannt werden. Für Lantus excubitor findet sich schon bei Brehm der Name Wächter. Es ist bezeichnend für alle Lantus- Arten, daß sie auf den höchsten Spitzen von Bäumen, Sträuchern, Leitungsmasten, Zaunpfählen zu sitzen pflegen, um von dort das Gebiet zu überschauen. Der Name Wächter ist daher als Gattungsname für alle Lanius-Kvttn gut geeignet.
5. Falsche Schreibweisen von Namen sind im Zuge einer Bereinigung zu beseitigen. Beispiel: Mit „Blesse" bezeichnet man seit alters her einen weißen Fleck oder Streifen auf der Stirn von Rindern, Pferden und anderen Tieren. Dieses Merkmal muß auch nach Duden mit e geschrieben werden. Es heißt also Bleßralle, nicht Bläßhuhn.
6. Ungeeignete, falsche und irreführende Namen sind durch solche zu ersetzen, die möglichst typische Eigenschaften, Merkmale, Verhaltensweisen oder Lautäußerungen andeuten. Beispiel: Alle in Europa vorkommenden-Drosseln sind Singdrosseln, gehören aber ganz verschiedenen Arten an. Es ist daher nicht tunlich, Turdus philomelos die Bezeichnung Singdrossel als Artname beizulegen. Auffällig ist bei Turdus philomelos der Lockruf „zipp", den er immer und überall hören läßt. Es liegt nahe, ihm den Artnamen Zippdrossel zu verleihen.
7. Etymologisch umgeformte Namen, die altes, uns heute nicht mehr verständliches Sprachgut enthalten, sind bestehen zu lassen. Beispiel: Grasmücke. Auch Namen, die auf einen alten Volksglauben zurückgehen, sind unverändert zu übernehmen, wenn sie für den Vogel nicht mehr diskriminierend sind (Beispiel: Ziegenmelker).
8. Diminutivnamen (z. B. Goldhähnchen) sollten bei Neubildungen vermieden werden, da es schlecht angängig ist, erwachsene Tiere mit der Verkleinerungsform der Kindersprache zu bezeichnen und da solche Namen zu einer Verniedlichung in der Einstellung zum Tier führen. Bereits eingeführte Namen (z. B. Rotkehlchen) könnten als Kompromiß beibehalten werden.
9. Wo sich mit dem vorhandenen Namensgut und aus Mangel an auffälligen Merkmalen, Verhaltensweisen oder Lautäußerungen keine befriedigende Lösung finden läßt, ist in kühnem Schwung zu sprachlichen Neuschöpfungen zu greifen. Irgendwer schuf aus „Kraftrad" ein „Krad", zunächst neu und ungewohnt, bald aber geläufig. Sollte man nicht auch von Seeschwalbe eine „Seebe" ableiten können? Das soll nur ein Beispiel, ein Vorschlag, eine Anregung sein!
Wenn diese Grundsätze beachtet würden, brauchten nur relativ wenige Namen geändert zu werden, und es könnte trotzdem eine ausreichende Bereinigung der Nomenklatur erzielt werden.
Dem Konservatismus sollte man als hemmendes Moment nicht allzu große Bedeutung beimessen, denn die Zeit wird früher oder später über ihn hinwegschreiten. Wo aber größere konservative Kreise durch einen Kompromiß zu gewinnen sind, da sollte man auch zu diesem bereit sein, denn das entspricht demokratischen Spielregeln.
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