Arbeit) kreuz und quer mit dem Fahrrad abgefahren und hierbei nach einem am Fahrrad an­gebrachten Kilometerzähler rund 552 km zurückgelegt. Besonderes Augenmerk wurde bei diesen Fahrten auf die Erfassung des für die Brüten wichtigen Grabensystems gelegt. Die Kontrollen wurden überwiegend während der Hauptgesangszeiten des Blaukehlchens - also in den Morgenstunden und in der Abenddämmerung - vorgenommen. In den Gemüsepoldern westlich von Emden wurden die Kontrollen intensiver als in den für mich mit dem Fahrrad schwieriger zu erreichenden weil entfernter liegenden Räumen bei Norden durchgeführt.

Insgesamt konnten von mir nur 26 singende Männchen (und z. T. auch die dazu gehörenden Weibchen) registriert werden, davon nur 15 in dem rund 2000 ha großen Gebiet des Kaiser- Wilhelm-Polders (5 Paare) sowie des Larrelter (8 Paare) und Wybelsumer Polders (2 Paare) (in diesem Gesamtraum wurden 1959 40 bis 50 Paare festgestellt, so daß ein Rückgang um etwa h ² /3 vorliegt), und 11 Paare im übrigen als Brutareal bezeichneten Gebiet, nämlic 7 Paare in der Nähe der Knock, 3 Paare in der übrigen Krummhörn bei Manslagt, Logumer Vorwerk und Upleward, ferner 1 Paar im Hafenpolder. In den Gebieten bei Norddeich und Riepe konnte die Art überhaupt nicht mehr festgestellt werden. Der Gesang erfolgte oft von Telegrafenleitungen aus, gern auch von einzeln an den Gräben stehenden Holunderbüschen, von Pappeln und anderen Bäumen, von Umzäunungsdrähten, Schilf und weiteren vorjährigen hohen Pflanzenstengeln sowie von Rapspflanzen. In der Regel bestand die Umgebung aus Rapsfeldern, Gemüse- oder Kartoffeläckern und in einem Falle einem Erdbeerfeld.

Über die Ursachen des Rückgangs kann ich keine sicheren Angaben machen, sondern nur Vermutungen äußern. Vielleicht spiegelt sich hier auch der allgemeine Rückgang vieler Sing­vögel wider. Möglicherweise spielt die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie die Entkrautung der Gräben mit chemischen Mitteln eine Rolle. Auch dürften sich mittlerweile eingetretene Landschaftsveränderungen negativ ausgewirkt haben. Sicherlich ist der Rück­gang zum Teil darauf zurückzuführen, daß das Gebiet zumindest zwischen Larrelt und Emden sowie bei Wybelsum vermehrt durch die Errichtung von Industriewerken und Wohnsied­lungen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wurde. Möglicherweise hat sich die Zahl der für die Nestanlage notwendigen Gräben oder der für die Nahrungssuche wichtigen Grüppen verringert, nachdem das aufgeschlickte Gelände durch Drainage pp. soweit ent­wässert war, daß ein Teil des Grabensystems entbehrlich und zugeschüttet wurde. Im Zu­sammenhang hiermit könnte es zu einer Zusammenlegung kleinerer Flächen zu größeren Schlägen gekommen sein. Vielleicht ist eine Veränderung der Brutbiologie darauf zurück­zuführen, daß es sich bei den Gemüsepoldern bei Emden (Larrelter und Wybelsumer Polder) nicht mehr wie seinerzeit um relativ frisch aufgeschlickte und in landwirtschaftliche Nutzung genommene Flächen handelt. Denn möglicherweise werden nur jüngere Polderländereien stärker besiedelt. Die Polder scheinen mir insgesamt zu trocken geworden zu sein und viele ehemals Wasser führenden Gräben sind jetzt ohne Wasser. Es ist jedenfalls so, daß die Art heutzutage in den genannten Poldern (Kaiser-Wilhelm-Polder, Larrelter und Wybelsumer Polder) nicht mehr wie zur Zeit der Feststellungen Blaszyks viel häufiger als in der alten Ackermarsch ist; so liegt das einzige Gebiet mit konzentriertem Vorkommen (7 singende Männchen auf einer Fläche von etwa 150 ha) in der alten Ackermarsch nahe der Knock.

Eventuell ist auch eine Intensivierung in der landwirtschaftlichen Nutzung der Ackermarsch insofern eingetreten, als nicht mehr so viel kleinflächiger Gemüsebau (mit weitem, weit­gehend unkrautfreien Reihenabstand) wie seinerzeit, sondern mehr großflächig bewirtschaftete Polder mit verstärktem Getreindeanbau betrieben wird, was ebenfalls zu einer Verschlech­terung der Lebensbedingungen für das Blaukehlchen beigetragen hätte, weil dicht bewach­sener Boden die Nahrungssuche erheblich beeinträchtigt oder sogar unmöglich macht. Es ist nämlich Grundvoraussetzung für das Vorkommen der Blaukehlchen, daß neben den Plätzen für die Nestanlage (Grabenränder) und Singwarten auch genügend geeignete Flächen für die Nahrungssuche (freier, wenig bewachsener Boden) vorhanden ist.

Anschrift des Verfassers: Klaus Rettig, D 297 Emden, Danziger Straße 11

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