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einzurichten. Dem gegenüber möchte ich jedoch Folgendes behaupten. Wenn ein deutscher Gärtner mit der Absicht auswandert, in irgend einem tropischen Lande Gartenbau zu treiben, so wird er als erste Schwierigkeit die Einwirkungen zu überwinden haben, welche das tropische Klima und eine völlig veränderte Lebensweise auf seinen eigenen Körper geltend machen. Hat er sich damit abgefunden, so beginnen für ihn Lehrjahre, die härter sind, als die ominösen drei Jahre, welche er in Deutschland selbst bei einem sehr strengen Lehrmeister durchlebt hat. Zunächst ist es seine Aufgabe,, solche Pflanzengattungen zu studiren, welche bereits im Lande zu dem Zwecke angebaut werden, um als menschlichesNahrungsmittel zu dienen. Die Beobachtung der Witterung darf nicht unterlassen werden und daneben muss man eifrig nach solchen Pflanzen forschen, die in früheren Zeiten schon einmal im Lande angebaut wurden. Vollständig aber muss man davon absehen, gleich in den ersten Jahren die Gärtnerei nach deutscher Art zu treiben. Es leuchtet ja ein, dass die völlige Un- kenntniss aller einschlägigen Verhältnisse in jedem einzelnen Falle die Ursache eines gänzlichen Misslingens der Versuche sein wird und es ist ebenso begreiflich, dass in der Folge eine gewisse Gleichgültigkeit eintritt, die weitere Versuche gar nicht aufkommen lässt. Durchaus falsch ist es, wenn ein deutscher Gärtner nach irgend einem Tropenlande geht und gleich im Anfang sich damit beschäftigt, z. B. europäische Gemüse zu ziehen. Fs würde viel richtiger sein, wenn er von der Mitnahme deutscher Gemüsesämereien und Obstbäume zum eigenen Nutzen absehen möchte und wenn er seine ganze Aufmerksamkeit in den ersten Jahren lieber auf das Studium der landwirtschaftlichen Verhältnisse des betreffenden Landes richten wollte. Ich bin fest überzeugt, dass ein namentlich im praktischen Gartenbau durch und durch erfahrener Gärtner ganz zufriedenstellende Resultate mit dem versuchsweisen Anbau europäischer Gemüsearten unter den Tropen erzielen wird, sobald er in den ersten zwei
Jahren seines Aufenthaltes die Landwirtschaft genau in derselben Weise betrieben hat wie die, welche schon vor ihm im Lande waren, und sobald er offenen Auges sich mit den Witterungsverhältnissen vertraut gemacht hat. Treibt er Landwirtschaft genau so, wie die übrigen Bewohner seiner Kolonie, so wird er zunächst dadurch mit Leichtigkeit sich über vieles klar werden, was ihm selbst dann unbekannt geblieben sein würde, wenn der intelligenteste Bewohner der Kolonie ihm das ganz ausführlich auseinander gesetzt hätte.
Daraus aber geht hervor, dass der Gartenbau unter den Tropen vorläufig nur empirisch betrieben werden kann, dass die Kenntnisse eines europäisch geschulten Gärtners nur dann von irgend
welchem fördernden Einfluss auf die Entwickelunt,'' des tropischen Gartenbaues sein können, wenn derselbe Gelegenheit genommen hat, sich als Lernender über das Warum und Wie der bestehenden landwirtschaftlichen Verhältnisse klar zu werden. Vieles, was der Kolonist thut, weil es schon die so gemacht haben, welche er bei seiner Ankunft auf der Kolonie vorfand, wird dem geschulten Gärtner sehr bald beim Verrichten der betreffenden Arbeiten als nothwendig aus dem und dem Grunde erscheinen und mit dem Erkennen dieses Grundes wird es ihm dann nach und nach möglich werden, Verbesserungen einführen zu können. Kennt er genau die schon bestehenden Verhältnisse, dann kann er auch daran denken, Anbauversuche mit europäischen Nutzpflanzen, sowie Versuche zur Verbesserung der Kultur der schon vorhandenen Nutzpflanzen zu machen.
Die Pflanzenanatomie im Dienste des Gärtners.
Von J. Vesque, übersetzt von Dr. Carl Müller. (Mit Abbildung.)
Im X. Bande der Annales agrono- miques*) findet sich eine Arbeit des bekannten und verdienstvollen Pflanzenanatomen Jul. Vesque, welche -die *) Sep.-Abdr. S. 14—32.