1886. No. 46.I

Seidel's neues Roll-Haus.

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Der Vortheil, den die Holländer und Belgier Kollegen bisher vor uns voraus­gehabt, besteht, abgesehen von einer meist feuchten Luft, zum Wesentlichen darin, dass sie ihre Pflanzen frei ausgepflanzt, und die im Freien herangezogenen Stecklinge nicht nur kräftiger an "Wuchs sind, sowie eine schnellere Ent wickelung der ersten Jugend­zeit durchmachen, sondern auch die damit nothwendig im Zusammenhang stehende Behandlung wie Beaufsichtigung eine im Ganzen weit einfachere sein muss, als sich Alles dies bei unseren Gewächshaus-Kulturen stellt. Angesichts der stetig wachsenden Konkurrenz galt es auch für uns, trotz ungünstiger kli­matischer Verhältnisse diesen Vortheil bezüglich der Anzucht von Stecklings­pflanzen (Azaleen, Camellien, Rhodo­dendron) zu erreichen. Eine von uns vielfach bedachte, aber bisher nicht gelöste Aufgabe, war sie namentlich für den eine stete Anregung, welcher bereits im Jahre 1870 durch Einführung der so­genannten Japans bei uns einen so wesent­lichen Umschwung in den betreffenden Kultur-Zweigen hervorrief. Mit Lösung der Einrichtung eines Roll-Hauses ist Herr Seidel der in Rede stehenden Frage ganz wesentlich näher getreten.

Zunächst handelt es sich bei vor­stehender Anlage um die Anzucht von Moor- und Haide-Pflanzen. FAn völlig offenes, freiliegendes Beet, in der Form eines Rechteckes, bei ca. 9,44 m Breite Und ca. 31,45 m Länge, dessen einzelne Seiten durch eine Mauer begrenzt werden (hier aus Sandsteinstücken aufgeführt), die ungefähr sich 30 cm über dem Erd­boden erhebt, ist dasselbe bei etwa fiöthig werdender Deckung (gegen Kälte, Hagelschlag, starke Regengüsse) mittelst e jner einfachen Drehvorrichtung, bei ge­ringer Kraftanstrengung, in der Zeit von c a. 2 Minuten mit einem dasselbe auf a Uen Seiten gleichmässig schützenden -öache überspannt. Auf der letzten Schicht- vorgenannter Mauer sind an den Längsseiten dünne, eiserne T Schienen ^gelassen, dazu bestimmt, dem auf Rollen ruhenden Dache die erforderliche Bewegung vor und rückwärts zu ge­währen. Das Dach aussen mit fest

übereinander liegenden Brettern, von innen mit Stroh abgedeckt, ist einfacher A Construktion, im Innern im Wesent­lichen durch zusammen verbundene Rund­eisenstäbe in sich festgehalten. Die Basen des Daches stützen sich auf ca. l m hohe, aufrecht stehende Holzwände, an deren unteren Enden die betreffenden Rollen eingelassen sind, in Zwischenräu­men von je ca.2 m. 10-I2cm imDurch- messer haltende, runde Stangen sind in ein 13X15 1 /.,, cm starkes, durchlaufendes Rahmstück eingelassen (oberhalb durch einen Dachreiter geschützt), und er­möglicht daher diese Konstruktion die ganze Last des Daches zu tragen. Bei der völligen Breite des Hauses ist das Dach ca. nur '/ 2 mal so lang wie die Ge- sammt-Länge des Raumes. Oberhalb in grösseren Abständen eingelassene Fenster gewähren für den Winter das erforder­liche Licht, sobald die Bedeckung über­haupt nöthig sein sollte. Etwaige Heizrohre, gleich denen beim Japan möglichst einfach, an den Längsseiten je l oder 2 Stränge entlang geleitet, sichern den Pflanzen, welche von der sie umgebenden Erde zunächst geschützt werden, im Nothfalle die erforderliche Temperatur im Winter. Ungefähr in der Mitte des Raumes steht ein starker Pfosten eingerammt, ca. 2 m hoch, welcher eine Kurbel mit Drehvorrichtung für eiserne Ketten enthält, die, mit ihren Endpunkten an den sich gegenüber­liegenden Giebelwänden befestigt, beim Anziehen die entsprechende Fortbewe­gung des Daches bewirken. Sobald die Pflanzen einer Deckung nicht bedürfen, steht das Dachgerüst auf derjenigen Hälfte des Raumes, wo nicht ausge­pflanzt ist. Die mit Pflanzen bestande­nen Beete stehen den ganzen Sommer hindurch, so weit es irgend angeht, an der freien Luft, in vollster Sonne. Das Begiessen der Beete geschieht alsdann von aussen: sobald das Haus gedeckt ist, von schmalen Wegen aus, ca. 0,60 m breit, welche zwischen den Hauptab­theilungen der Beete liegen. Sofern die Pflanzen hier dem vollsten Lichte aus­gesetzt sind, stehen die Pflanzreihen in ziemlich dichter Entfernung, ca. 15 cm zu einander und unter sich in Abständen