Vorgänge in der Gesellschaft.

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barischen Zustände herbeigeführte Auswanderung. Im Jahre 1828 wanderten aus Erzerum in einer Nacht 40000 Armenier aus. Nach dem letzten rus­sisch-türkischen Kriege sind über 150 Dörfer in den Provinzen Achbak, Alaschkent und Mokaz eingegangen usw.] Diese Zahl verteilt sich auf 21 Völker: Osmanen, Turkmenen, Tscherkessen, Georgier, Araber, Drusen, Perser, Albanesen, Bulgaren, Gutschunen, Serben, Ka.saken, Syrier, Nesto- rianische Syrier, Jezidrs, Kurden, Zigeuner, Juden, Armenier, Griechen, Maroniten. Es werden kurz die Wohnsitze, die Sitten und Gebräuche, die Beschäftigung, das Leben und Treiben der einzelnen Völker geschildert; zuletzt geht der Vortragende dann auf die Armenier selbst näher ein. Die Zahl der Armenier in Erzerum, VVan, Bachesch, Charberd, Diarbekir be­trägt bis über 1900000. Außer diesen Orten leben noch ungefähr 100000 in Mesopotamien, 500 000 in Kleinasien, in Klein-Armenien 500 000, in Tra- pezund 100000, Sebastien 190000, Brussa 120000, in Cilicien 200 coo und in der europäischen Türkei 2 000 000. Die traurigen Zustände, die Aus­wanderungen haben die Zahl der Armenier sehr herabgemindert. Von 1858 bis 1878 sind während eines Zeitraumes von 20 Jahren in der Provinz Wan von 2740 Häusern nur 585 übrig geblieben; 61 Kirchen wurden von den Kurden verbrannt, das Innere zerstreut und die Heiligtümer geschändet. Die in Rußland lebenden I 800 000 Armenier erfreuen sich wohlgeordneter Zustände; die dortigen Armenier brauchen ihre Religion nicht zu ver­bergen, die Ehre der Frauen darf keiner beflecken, dafür sorgt das Gesetz, welches jeden Verbrecher, gleichviel wer er ist, streng bestraft. In Per­sien und in anderen Staaten leben auch noch bis 120000 Armenier, zu­sammen ergiebt sich die stattliche Zahl von 5500000 Seelen. In ihrer Heimat leiden die Armenier sehr durch die Frevelthaten der Kurden; ein Vergleich zwischen dem alten Armenien und dem jetzigen türkischen Ar­menien zeigt, daß viele armenische Dürfer im 4. Jahrhundert viel größer waren als jetzige Städte, daß überhaupt Armenien ein wohl kultiviertes Land gewesen ist.

2) Am 14. Dezember trug Dr. Neubauer aus Berlin über die 5 Kolonien des australischen Festlandes vor.

Während früher eine Reise nach Australien sehr umständlich war und viel Zeit erforderte, ist dies heutzutage durch den entwickelten Weltver­kehr ganz anders geworden. Durch ihn ist Australien der übrigen Welt näher gerückt, durch ihn sind die Kolonien emporgeblüht. 1888 feierten die Kolonien ihr ioojähriges Bestehen, doch beginnt der eigentliche Auf­schwung erst vor etwa 50 Jahren, da sie bis dahin Strafkolonien waren. Redner schildert zunächst die Größenverhältnisse der einzelnen Kolonien. Unter ihnen ist Viktoria mit 87000 engl. Qu.-Meilen die kleinste, etwa so groß wie England, aber am entwickeltsten. Dann folgen Neu­südwales mit 310000, Queensland mit 668000, Südaustralien mit 903000 und Westaustralien mit 975000 englischen Qu.-Meilen. Die Abgrenzung der Kolonien ist natürlich rein willkürlich festgesetzt. Alle außer West­australien sind autonom; der Gouverneur ist machtlos, selbst ohne Veto. Die Kolonien zeigen nun, wie der Redner ausführte, ein durchaus ver­schiedenes Gepräge. Queensland zerfällt mit Rücksicht hierauf in 2 Hälften, wobei der 22. Grad etwa die Scheide bildet. In Südqueensland herrscht europäische Agrikultur vor, in Nordqueensland der Plantagenbau, da es in den Tropen Hegt. Daher sind die Interessen beider sehr ver­schieden und eine Trennung der beiden Gebiete, die übrigens wohl bald bevorsteht, würde sich sehr empfehlen. In Nordqueensland ist die Chi­nesenfrage eine brennende, da die Plantagen ohne Chinesen mit Erfolg nicht bearbeitet werden können. Nun hat man den Chinesen die Einwan­derung durch die Kopfsteuer, die sich bis auf 500 Mk. beläuft, unmöglich gemacht, und so liegen seit 1887 die Plantagen brach, da die Südsee­arbeiter infolge schlechter Behandlung bald dezimiert wurden. Die Ein­wohnerzahl von Queensland beläuft sich auf 342000 Seelen.