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schon verarbeiteten Nahrungssaftes, den sie aber nicht im Boden und eben so nicht in der Luft, sondern nur in der Pflanze selbst, der sie entnom­men worden, finden. Aus dieser Ursache schneidet man nicht allein das Auge heraus, sondern auch noch einen grössern oder kleinern Theil des Zwei­ges ab und bringt dieses Stück Pflanze als Steck­ling in die Erde.

Die hierin bereits vorhandenen und vorberei­teten Nährstoffe dienen zunächst dazu Organe, welche später die Aufnahme des rohen Nahrungs­stoffes vermitteln, also Wurzeln, zu bilden. Aber auch diese Wurzeln können sich nur an solchen Stellen des Stecklinges bilden, wo bildungsfähige Zellen vorhanden sind, also am Besten in der Cam- bialschicht zwischen Rinde und Holz. Durch den Schnitt an der Basis des Stecklinges ist natürlich eine Verwundung geschehen, durch die ein grös­serer Säftezufiuss nach der verwundeten Stelle ge­schieht. Es wird demnach auch die Basis des Stecklinges, und zwar die Schnittfläche selbst, zur Erzeugung von Wurzeln am Geeignetsten sein.

Es liegt klar vor, dass Zellen gegen äussere Einflüsse um so empfindlicher sich zeigen, je jün­ger und zarter sie sind. Innerhalb der Pflanze sind jugendliche Gebilde durch die altern Zellen geschützt und kommen mit der äussern Luft gar nicht in Verbindung; wo ihre Bildung aber an der Aussenseite geschieht, wird das umgebende Medium, die Luft oder der Boden, in dem der Steckling steckt, stets einen geringeren oder grösseren Ein- fluss ausüben. Der Gärtner hat demnach vor Allem die Aufgabe, diesen Einfluss auf ein Minimum herabzusetzen und hauptsächlich alle Zersetzungen und Fäulniss, also chemische Prozesse, abzuhalten.

Eine Erde ist um so fruchtbarer, je mehr sie der Pflanze durch allmählige Zersetzung ihrer un­löslichen Stoffe grade die nöthige Menge (also auch nicht zu viel) Nahrungsstofte zu ihrer Ernährung liefert; bei der Neubildung von Zellen für die Wur­zel eines Stecklinges übt aber, wie gesagt, jeder chemische Prozess eine schädliche Wirkung aus und bedingt im ungünstigsten Falle durch Fäulniss die Zerstörung der jugendlichen und deshalb noch sehr zarten Gebilde. Der Gärtner hat demnach darauf zu achten, dass er den Stecklingen einen Boden gibt, in dem möglichst wenige oder wohl auch gar keine Stoffe vorhanden sind, die sich, hauptsächlich unter Einfluss der Kohlensäure in der Luft, zersetzen könnten. Jede sogenannte fruchtbare oder Humus-Erde ist demnach den An­wurzeln von Stecklingen ungünstig, so sehr sie auch später das Gedeihen der bereits angewurzel­ten befördert. Doch gibt es eine ganze Keihe von Pflanzen, und dahin gehören hauptsächlich einige

einheimische Gehölze, wie Weiden u. s. w., wo die Stecklinge bei der Bildung ihrer Wurzeln gegen äussere Einflüsse wenig empfindlich sind und fast in jedem Boden anwachsen. Andere, namentlich aus wärmern Gegenden, sind, wie gesagt, dagegen ausserordentlich empfindlich.

Die Gärtner bedienen sich, besonders für die letztern, aus dieser Ursache als Boden und als Medium für Stecklinge schon seit geraumer Zeit des feinen Flusssandes, in dem fast gar keine thie­rischen oder pflanzlichen Stoffe enthalten sind. Sie waschen ihn selbst zuvor mehrmals aus, um ihn noch mehr von allen organischen, sich am Leich­testen zersetzenden Stoffen zu befreien; man könnte ihn noch besser glühen. Neuerdings zerkleinert man auch das gewöhnliche Torfmoos (Sphagnum palustre) zu einem gröblichen Pulver und setzt in dieses die Stecklinge. In England bediente man sich eine Zeit lang des gebrannten Thones und Lehmes in Form eines gröblichen Pulvers. Beide haben unbedingt den Vorzug vor dem Sand und möchten wir sie allen Gärtnern bestens empfehlen.

Die Nahrungsstoffe werden nämlich nicht allein der Pflanze vermittelst des Wassers zugeführt, son­dern dieses dient auch innerhalb jener als Vermitt­ler zum Austausch des bereits mehr oder minder verarbeiteten Saftes. Es ist deshalb stets nothwen- dig, dass dem Stecklinge auch das nöthige Wasser zu Gebote steht, damit die Circulation in der Pflanze keinen Stillstand oder doch keine Verrin­gerung erhält. Es kommt noch dazu, dass jeder Steckling etwas verdunstet und dass das dadurch verlorene Wasser ersetzt werden muss. Damit aber das Verdunsten nicht zu sehr geschieht, nimmt man, wie Jedermann weiss, die Flächen, welche hauptsächlich diese vermitteln, also die Blätter, ganz und gar oder wenigstens zum grössten Theile hinweg.

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Damit nun die nöthige B^euchtigkeit vorhanden und die Lnft ebenfalls hinlänglich damit geschwän­gert ist, um nicht etwa dem Stecklinge noch diese zu entziehen, wird häufig gespritzt und dicht über den Stecklingskasten ein Fenster gelegt, auch wohl eine Glasglocke über die Stecklinge gesetzt, um die Feuchtigkeit zusammenzuhalten. Dadurch wird aber, namentlich im letzteren Falle, der ebenfalls nothwendige Luftzug gehemmt, was wiederum oft die Unannehmlichkeit bedingt, dass Stecklinge des­halb gar nicht anwachsen oder dieses nur schwierig thun. Aus dieser Ursache muss jeder Boden, welcher möglichst hygroskopisch ist und deshalb das Abschliessen der Luft unnütz macht, den Vor­zug haben. Gebrannter Lehm und Thon ist be­kannter Massen hygroskopisch und zieht beständig Feuchtigkeit aus der Luft an. Es gab einmal eine