Illustrierte Wochenschrift für Tier= und Pflanzenfreunde

für Sammler und Liebhaber aller naturwissenschaftlichen Zweige. Organ des Verbandes der Aquarien- und Terrarien-Freunde und vieler anderen Vereine.

No. o.

Sonntag, den 3. März 1001. | 3. Jahrgang.

Nestorpapageien.

Von Dr. Hermann Bolau.

er Artikel des Herrn Dr. Gross »Teufeleien der Raben und Krähen in den europäischen und sibirischen Steppen« in No. 5 und 6 der »Nerthus« veranlasst mich, daran zu erinnern, dass eine Gruppe der Papageien, die Eulen­oder Nestorpapageien Neu-Seelands ge­legentlich ähnlich gegen die Schafe der Ansiedler verfahren, wie Herr Dr. Gross es für die Raben und Krähen der sibi­rischen Steppen schildert. Papageien sind bekanntlich zum grössten Teil Vegetarianer, sie leben von Früchten, Sämereien, Nüssen u. dergl., verzehren auch wohl nebenbei Insekten und Larven, eigentliche Fleischfresser giebt es unter ihnen aber kaum, ausser eben den Nestor­papageien. Auch sie ernähren sich vor­zugsweise von pflanzlichen Stoffen, wissen aber ihren kräftigen Schnabel sehr wohl zu benutzen, um sich aus dem Holze der Bäume Insektenlarven und andere Leckerbissen herauszuarbeiten.

Die Beobachtung, dass der Nestor­papagei unter Umständen geradezu Raub­vogelnatur annimmt, ist durch Zufall gemacht worden. Man bemerkte, dass unter den Schafherden Neu-Seelands einige Stücke handflächengrosse Wunden trugen, deren Herkunft man zunächst nicht zu erklären wusste. Manchmal

verschwanden auch einige Tiere und man fand sie abseits aus mehreren Wunden blutend erschöpft liegen, wenn sie nicht gar schon dem Blutverlust erlegen waren. Aufmerksame Ueberwachung der Schafe brachte dann bald Klarheit in die un­erklärliche Krankheit derselben.

Man ertappte Eulenpapageien, wie sie sich auf den Rücken der Schafe setzten, die Wolle ausrupften und dann mit ihrem langen Schnabel grosse Stücke Fleisch aus der blossgelegten Stelle herausrissen und verschlangen. Das arme gequälte Tier suchte sich seines Peinigers zu entledigen, was ihm freilich kaum gelang. Endlich rannte das Schaf mit seinem Reiter fort von der Herde, warf sich auf den Boden, um den Quälgeist zu entfernen, aber dieser begann einfach aus den Seiten der Schafe ebensolche Löcher herauszufressen. Die Angst und der Blutverlust brachten das Tier dann bald dazu, sich ruhig hinzulegen und den Widerstand aufzugeben. War die Wunde nicht zu gross und dauerte der Angriff des Papageis nicht gar zu lange, so erholte sich das Schaf wohl wieder und suchte seine Herde wieder auf, andernfalls ging es einfach zu Grunde.

Wir sehen also, dass zwischen dem Gebahren der Krähen und Raben und dem des Nestorpapagei in der Form der