Illustrierte Wochenschrift für Tier= und Pflanzenfreunde

für Sammler und Liebhaber aller naturwissenschaftlichen Zweige. Organ des Verbandes der Aquarien- und Terrarien-Freunde und vieler anderen Vereine.

no. 30. Sonntag, den 28. Juli 1901. j 3.

Jahrgang.

Lebendig gebärende Zwergfische.

Vortrag, gehalten im »Humboldt«, Verein für Aquarien- und Terrarienkunde in Mamburg,

von Johs. Peter.

w

enn ich als kleiner Junge in dem Laden eines Fisch­händlers die Goldfische an­schaute, dann hat mir wohl ein besonders grosser Kerl vorübergehend imponieren können; ent­zückt war ich aber doch nur, wenn sich mir die Gelegenheit bot, eine Schar kleinerer Fische sich lustig im Wasser tummeln zu sehen. Ich habe es deshalb auch nie verstehen können, dass die Leute sich fast immer die grössten Gold­fische aussuchten, die dann in den kleinen Goldfischgläsern massig wirkten. Ich entsinne es noch genau, dass ich mich freute, wenn ich in einer Partie Gold­fische mal einen recht kleinen entdeckte. Ich hatte dabei aber eine so unbestimmte Vorstellung, es müsse doch noch kleinere geben, und ich baute dann nach Kinder­art Luftschlösser: »Wenn ich einmal gross bin, dann kaufe ich mir eine Menge ganz kleiner Gold- und Silberfische; die sollen aber nicht in solch ein kleines Goldfischglas hinein, da kann man sie ja nie ordentlich sehen. Nein, ich lasse mir einen grossenFischkasten mit Scheiben machen, wie ihn der Fischhändler hat, aber noch hübscher.«

Der Traum meiner Kindheit ist Wirk­lichkeit geworden; was ich als Knabe

einst erträumt, ersehnt, als Mann habe ich's erreicht, ja noch mehr! Es ist mir vergönnt gewesen, Fische, weit kleiner, als die kindliche Phantasie sie mich ahnen Hess, zu besitzen und zu pflegen. Aber auch sie, die winzig kleine Brut der Schleierschwänze wuchs heran; aus den kleinen zierlichen Tierchen wurden grosse, schwerfällige Fische, sie mästeten sich förmlich und waren dann nicht mehr so reizend und entzückend.

Ich habe daher, wenn ich in der Zucht der Schleierschwänze und Teleskopfische auch fortfuhr, doch nebenher stets den kleineren Fischarten mein Interesse zu­gewendet und jede Neueinführung einer solchen Art mit Freuden begrüsst.

Unter den Neueinführungen der letzten Jahre befinden sich einige Mitglieder der Familie Cyprijwdontidae (Zahnkarpfen oder Kärpflinge), die mit Recht als die Zwerge unter den Fischen bezeichnet werden können; denn kleinere Fische als die Männchen einiger Cyprinodonten giebt es nicht. Cyprinodonten kommen vor in Südeuropa, Asien, Afrika und Amerika. Während bei einigen derselben die Vermehrung in der bei den Fischen üblichen Weise (durch Absetzen reifer Eier, welche dann befruchtet werden) erfolgt, bringen andere Kärpflinge leben-