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Wenn es auch nicht nötig wäre, uns fernab von der Stadt zu wenden, da schon das Eppendorfer Moor beim Schiess­stande oder kurz davor das üppig be­wachsene breite Becken der Tarpenbeck, der Eppendorfer Mühlenteich, alljährlich verschiedene Rohrhuhnfamilien beher­bergt, ebenso fast sämtliche Brackwässer der Bille u. a. m., so ziehen wir es den­noch vor, eines der hamburger Walddörfer mit ihren wasserreichen Waldungen auf­zusuchen, um hier in romantischer Um­gebung uns ungestörten Betrachtungen hingeben zu können.

Mit dem Rade oder per Eisenbahn erreichen wir schnell unser Ziel und finden auch bald eine Stelle, die so recht dafür geschaffen scheint, ein behagliches Heim für unsere kleinen Freunde zu bieten. Durch hohen Baumbestand wan­delnd, haben wir abseits vom Wege einen kleinen versteckt liegenden Weiher entdeckt. Dichtes Unterholz lässt uns nur schwer an seinen Rand gelangen und reichlicher Pflanzenwuchs bedeckt das Wasser, das nur stellenweise hell­glitzernd zu uns herüber blinkt, wenn die schlanken Baumkronen über ihm der Sonne für Momente gestatten, ihre Streif­lichter darauf niederzusenden. Tiefe, wohlthuende Waldesruhe umgiebt uns hier der Schwärm der sonntäglichen Touristen zieht weit ab von uns vorüber und lässt nur hin und wieder gedämpfte Laute zu uns dringen.

Wir lagern uns jetzt zu Füssen einer mächtigen Buche und mustern aufmerk­sam das Gewässer vor uns. Bald ver­nehmen wir denn auch das erwartete Erkennungszeichen von der Anwesenheit der Gesuchten : ein quäkender Lockton, ähnlich wie »Terterter« aus der Mitte des dichten Röhrichts giebt uns hiervon Kunde und ein leises Hin- und Her­bewegen der Rohrstengel zeigt uns die Stelle an, an der sich die Vögel zwischen diesen aufhalten.

Nun werden auch nach und nach auf den freien Wasserstellen einige der Vögel sichtbar; wir bemerken deutlich die hell­kirschrote Schnabelplatte des Hahnes, die prächtig in der Sonne zu uns her­überleuchtet, und vorsichtig wagen sich nun auch die übrigen Familienmitglieder

weiter vor. Zwischen den alten Tieren schwimmt eine ganze Schar von kleinen schwarzen, flaufnfedrigen Kücken, die sich lustig umhertummeln. Eine kleine Binseninsel inmitten des Wassers wird von einigen bestiegen und hier eifrige Lese gehalten an den vorhandenen Schnecken und anderem Wassergetier, auch wird unter den wärmenden Sonnen­strahlen emsig Toilette gemacht.

So treiben sie es eine ganze Weile in friedlichem Beisammensein. Doch so­bald sich irgend etwas Verdächtiges rührt, verschwinden alle im Nu wieder zwischen den bergenden Halmen und nichts deutet dann noch auf ihre An­wesenheit hin, bis wieder vollständige Ruhe eingetreten und die Tiere ihr Ver­steck verlassen heisst. (Schluss folgt.)

Die Brieftaube.

Von M. Dankler.

enn im Herbste die Wande­rung der Zugvögel beginnt, wenn das Dreieck der »Schneegänse« am Himmel erscheint oder die Wellen­linie des europäischen Ibis sichtbar wird, dann steht mancher Naturfreund sinnend vor einem Naturwunder, dessen Erklärung schon oft versucht, aber noch niemals vollständig gelungen ist.

Wie ich schon verschiedentlich be­gründet habe, halte ich die Erscheinung für einen wunderbaren Naturtrieb, der gebieterisch und zwingend auf die Tiere einwirkt und sie so dem hier drohenden Verderben durch Kälte und Hunger ent­zieht. Ich glaube, dass die Annahme eines solchen Triebes um so mehr Wahr­scheinlichkeit beanspruchen darf, als die in Rede stehende Eigenschaft allen In­dividuen derselben Gattung im gleichen Masse eigen ist. Ist die Zeit des Zu^es gekommen, so brechen alle auf, alle schlagen unverweilt den richtigen Weg ein und ruhen und rasten nicht, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Doch ich will darauf in dieser Arbeit nicht weiter ein-