IRMISCHIA.
Erscheint anfangs jedes Monats und wird den Mitgliedern
des Vereins portofrei zugo- schickt.
Inserate für die gespaltene Petitzeile 15 Pf. Wissenschaftliche Beilagen nach Verabredung.
Korrespondenzblatt
des Botanischen Vereins für Thüringen
„Irmischia".
Redigiert vom Vorsitzenden des Vereins Prof. Dr. Leimbaeli.
Nichtmitglieder
abonnieren direkt, oder im Wege dos Buchhandels, bei der Kedaktion.
M 7 u. 8.
Abonnementspreis (inkl. Porto): 3 Mark pro Jahrgang. Einzelne Nummern 30 Pf.
VI. Jahrgang.
Sondershausen.
Juli u. August 1886.
Der Waldsberg und seine forstbotanischen Seltenheiten.
Von Richard Hoppe.
Vortrag, gehalten auf der Frülijahrshaupt- versammlung der Irmischia am 20. Juni d. J. in Arnstadt.
Es ist ein edler Dom aus herrlichen grünen Säulen, der, von üppigem Wiesengrün umsäumt, sich am Eingange in das sog. wilde Gerathal aufbaut. Der neue, länderverbindende Schienenweg, welcher ins innerste Gestein unseres Thüringer Waldes eingedrungen und unweit des Schneekopfes bei der sog. Brandleite durch die Nacht des Gebirges hindurchführt, lenkt unwillkürlich Auge und Herz eines jeden Naturfreundes auf diesen hervorragenden Waldkomplex. Nicht vergeblich unterbricht bei Station Gräfenroda der für Reize einer unverfälschten Natur, sowie für seltene und prächtige Kinder des Waldes empfängliche Reisende seine Fahrt; die idyllische Exklave Waldsberg — ein Edelstein in den an Forstschönheiten so reichen Schwarzburg-Sondershausenschen Gebieten — ist es wohl wert, ihr einige Stunden zu widmen. Mag das Dampfross an hohen Berggeländen, einsamen Schneidemühlen vorüberkeuchen, um am tosenden Waldbach entlang zu eilen und die einsame Tanne auf steilem Porphyrkegel bald hinter sich zu lassen: Wir streben für dieses Mal dem edlen Gottesfrieden eines heiligen Haines zu. Denn geweiht ist diese Stätte für jeden, der aus dem Säuseln der Blätter den hehren Odem des Allvaters heraus zu hören versteht, und dessen Gemüt für erhebende Erinnerungen empfänglich ist. Für den Botaniker, für
den Forstmann ist es historischer Boden, auf dem wir stehen. Es ist gewiss ein Akt der Pietät, dieses liebe Fleckchen Wald und den „Gründer und langjährigen Pfleger" desselben der Vergessenheit zu entreissen. Die Aufgabe ist um so dankenswerter und lohnender, als es ja specifisch vaterländischer Boden, wenn auch in der Diaspora ist, dem ein anerkennendes Wort gewidmet werden soll.
Das Ziel unserer Wanderung vom Bahnhof Gräfenroda ist zunächst jene einsame Waldschenke, „Waldsberger Wirtshaus" genannt, woselbst wir uns im bescheidenen traulichen Gärtchen, welches uns den Blick auf den Waldsberg und auf das am Fusse desselben in unmittelbarer Nähe des Wirtshauses gelegene schmucke Forsthaus eröffnet, durch ein zwar einfaches, aber frugales Mal zur weiteren Wanderung stärken. Es ist eine gar friedliche Kolonie, die hier am Fusse des Waldsberges, in einem Gehege von Bäumen, Gebüsch und Gärten und vom Geplätscher des Lütschebaches, der sich hier mit der Gera vereinigt, belebt, wie eine verkörperte Einladung zu gastlicher Ruhe, erschliesst Auch uns, wir müssen gestehen, ergeht es stets wie Ludwig Storch, der im Angedenken an hier verlebte erinnerungsreiche Stunden von dem Zauber dieses Fleckchens Erde sagt: „Wenn ich an dem schmucken Forsthaus vorbeigehe, ist es mir stets, als müsste ich den reinlichen Hofraum durchwandern, die Thürklinke erfassen und in das Haus eintreten, das mich so heimisch anspricht, und es mir darin wohl sein lassen. Gut ist es, dass wenigstens ein Gasthof daneben ist, denn ganz vorüber zu gehen würde mir allzu weh' thun".
