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Beiblatt zu den Botanisehen Jahrbüchern, Nr. Sl.

Familien des Pflanzenreichs in auffallendster Weise kopiert. Besonders fiel mir dies auf, als ich mich mit den südamerikanisch-andinen Vertretern der Gentianaceae, besonders der Gattung Gentiana selbst, beschäftigte. Es genüge, daß ich eine Anzahl von Artnamen dieser Grn/iana-Arten an­führe, welche ich zum Teil selbst gegeben habe, welche aber auch zum Teil von früheren Autoren stammen: Gentiana armerwides, dacrydioides, hypericoides, sarifragoides, stellarioides, gilioides, claytonioides, silenoides, gageoides, campamdoid.es, helianthemoides, calcmchoides, ericoides, oroban- choides usw. Dabei ist oft die habituelle Übereinstimmung eine so weit gehende, daß nur der Blütenbefund die Zugehörigkeit einer Pflanze zu Gen­tiana dartut.

Einen Satz Borbas 3 möchte ich wörtlich anführen, um zu zeigen, auf welcher Basis die Beweisführung steht: »Bei beiden Familien entwickeln sich die Blüten hermaphroditisch, nach zyklischem und aktinomorphem Plan, das Blütendiagramm ist bei beiden, von der Sympetalie der Gentiana- ceen abgesehen, kaum verschieden. In beiden Familen sind wenn auch wenige Beispiele einer Neigung zur Trennung der Geschlechter vorhanden. Die Blütenwirtel sind zumeist tetra- oder peritamer«. In diesem Absatz können wir zwei Gruppen von Behauptungen unterscheiden: richtige und unrichtige; die richtigen Behauptungen sind zu irgend einem Beweis absolut ungeeignet, die unrichtigen dagegen beweisen gerade das Gegenteil von dem, was Bokbäs dartun möchte. Hierzu rechne ich vor allem die Behauptung, daß das Blütendiagramm beider Familien »kaum verschieden« sei. Wenn wir uns allerdings die beiden Blütendiagramme neben einander zeichnen, wie wir sie aus den Diagnosen der Gattungen der beiden Familien zusammenstellen, so scheinen sie nicht so sehr verschieden. Als Unter­schiede sind (ich sehe jetzt von der Sympetalie ganz ab) bei dem einem Diagramm fünf, bei dem andern zehn Staubblätter eingezeichnet und der Frucht­knotenbau ist stets stark abweichend. Dafür sind aber die fünf Kelchblätter und die 5 Blumenblätter vollständig gleich, natürlich nur auf dem Papier, denn in der Natur gibt es keine ungleichartigeren Blüten als die der Gentianaceae und Silenaceae. Und daran fehlt eben Borbas meiner Ansicht nach in erster Linie; er ist auf Grund einiger habitueller Überein­stimmungen auf die Idee eines Parallelismus zwischen den beiden Familien gekommen und hat dann, ohne die beiden Familien in ihrer Gesamtheit zu kennen, ohne das große Vergleichsmaterial eines die Flora der ganzen Erde umfassenden Herbariums zu benutzen, auf Grund von papierenen Diagrammen und Diagnosen sein Gebäude von der Verwandtschaft dieser heterogenen Pflanzenformen aufgestellt.

Es scheint ja auf den ersten Blick kein sehr großer Unterschied zu sein, ob bei einer Pflanzenfamilie nur einer, bei der andern aber zwei Staubblattkreise ausgebildet werden, besonders wenn in letzterer eine Gattung sich findet (Drypis), die nur einen Kreis besitzt. Wichtig wird jedoch