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Der Lehrmeister im Garten und Kletntierhof
Fenster noch durch Mauervorsprünge oder dergleichen unterbrochen wird, würde sich der wilde Wein am besten eignen. Nicht nur, daß er bedeutende Höhen noch erreicht, er sorgt auch durch das malerische Herabhängen seiner grünen Zweige dafür, daß die große Fläche Abwechslung erhält. Allerdings wirkt er noch besser, wenn er auch kleine Türmchen, spitze Dachfenster, allerlei Ecken und Vorbauten und Vorsprünge umkleiden und umspinnen kann, und hier ist die Wirkung der herabhängenden Blätterbehänge noch bedeutend größer.
So schön nun der selbstklimmende Wein, ^mpeloxÄs Vsitobi ist — an einer glatten Mauer kommt er nicht zu seinem Recht; das gibt ein zu eintöni- ges Bild. Aber an der Hauswand, wenn es gilt die Architektur zu heben, da ist er in seinem Element! — Ich sah ihn an einem Hause, wo er den Balkon zart nm- grünte, die schmalen, glatten Flächen zwischen den Fenstern zierte, die Säulen an der Veranda wie mit Samt umzog, der sich im Herbst in roten Purpur umwan- delte. Und gerade die umgrünten Säulen zeigten so recht die Kunst dieser Schlingst flanze, d em Baumeister helfend sein Werk ins rechte Licht zu stellen.
Arge Enttäuschung würde der erleben, der das viel empfohlene Polygonum Baldschua- nicum an eine glatte Wand oder an eine ganz niedrigeMauerpflanzte.
Das gäbe eine Wildnis!
Aber wo sich dieser Knöterich stützen und halten kann, etwa ' an Laubengängen» Veranden, auch an Mauern, denen er seine Ranken- und Blütenlast anstür- men kann, an Lauben und dergleichen, da kann er stehen. Der Blütenreichtum ist unvergleichlich, er dauert in seiner zauberischen Schönheit von Juli bis September.
Und dann der Efeu, diese Allerweltspflanze! In seiner Anwendung kommt er dem wilden Wein gleich, und wie dieser sieht man ihn auch sehr häufig, ich möchte fast sagen, zu häufig angepflanzt. Besonders in den Städten, deren kleine Gärten allerdings an einem Überfluß von Sonne und Licht nicht zu leiden haben, finden wir ihn imnrer und immer wieder. So schön nun eine mit Efeu begrünte Wand ist, so eintönig wirkt es, wenn solche Mauern und Wände immer und immer wieder austauchen. Gerade i n d e r A b w e ch s l u n g m i t b l ü h e n d e n Schlinggewächsen liegt der Reiz seiner dunkelgrünen, lederartigen Blätter, seiner ernsten Schönheit. Und dann braucht es auch nicht immer der großblättrige, der schottische Efeu, Uedora
hibernica, zu sein; unser Waldefeu, Hedera helix, ist doch auch auf seine Art schön.
Gerade die blühenden Schlinggewächse sollten mehr angepflanzt werden. Zwar ist es durch die Schlingrose Crimson Rambler und neuerdings durch ihre Abarten etwas anders geworden, aber es könnte noch so vieles im Garten blühen. Auch die Blumenausschmückungen der Hausschauseite, wie sie uns jetzt so viel in ihrer verschwenderischen Blumenpracht begegnen,, weisen schon darauf hin, was die Schlinggewächse im Blühen leisten können. Allerdings handelt es sich hier meist um Sommergewächse, da die holzartigen und ausdauernden in der Mehrzahl
nur verhältnismäßig kurze Zeit blühen. — Darum sollen eben auch die einjährigen Schlingpflanzen mehr Verwendung finden. — Ein Beispiel:
In unserem Garten war die Mauer mit Efeu bewachsen. Tas- war die Zier für den Spätherbst, Winter und Frühling. Ehe aber der Sommer, die glückliche Zeit begann, hatten sich schon zahlreiche Ranken durch das dunkle Efeugrün emporgearbeitet^ und -hier und da glühte es auf in rotgoldnen und goldbraunen Blüten. Und dann stand,, wie aus Zauberhand geschaffen, die ganze lange Mauer in einer Blütenpracht. Bedeckt war das ernste Grün^ bedeckt die ganze Mauer, ein Blühen ohne Ende, bis der erste Frost alles zerstörte. Dann wurden die Reste der Sommerherrlichkeit entfernt und die Mauer stand wieder frisck und grün im Winterkleide. — Dies schöne Blumenwunder bewirkten einige Samenkörner der Kapuzinerkresse, Tropaeolum majus; zu säen brauchte ich sie nicht einmal, denn sie säten sich von selbst aus.
Daß eine Gartenmauer oder auch die Türpfeiler derselben von außen her durch Bepflanzung init Klettergewächsen ein malerisches Aussehen erhalten können, wird auch noch zu wenig beachtet. Allerdings kommt eine solche, Bepflanzung für die Stadt weniger in Betracht, aber auf dem Lande draußen, da bietet sich an Parkmauern und Mauern von Landhäusern häufiger hierzu Gelegenheit. Hier werden Efeu, wilder Wein, Geißblatt und Waldrebe (Oleinatis vitalba) schon das äußere Bild verschönern helfen. Da zieht sich der Mauer entlang ein breiter Grasstreifen, vielleicht stehen, wenn der Garten höher liegt wie die Straße, dicke Mauerpfeiler daran; wie einfach ist's, dorthin einige Klettergewächse, allerdings nur ausdauernde, anzuvflanzen..
Abb. 2. Cobäen und Knöterich am Laubengang. Originalaufnahme aus dem Garten der Firma H. Henkel, Hofl., Darmstadt.
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