Monat Nr. 6. Mai.

Der erfahrene Aüßrer

im Hans- nnd Klnmengarten.

II. Jahrgang. 1886.

Wouatsjchrift, herausgcgeben unter Mitwirkung vieler Garten- und Blumen­freunde von M. Kiechtold, Gärtner in Andelfingen (Zürich).

(Alle Rechte Vorbehalten.)

A0»««eme>ltrPrei» : JLHrlich 2 Frkn. Für's Ausland mit Portozuschlag.

Zluhakt de» VI. Keste»! Frühlingsfreuden. Einige Fehler, welche bei Aussaaten gewöhnlich gemacht werden Die schädlichsten Thiere und ihre Bekämpfung. Ueber die Aus­wahl der Blumen für Gruppen oder Blumenbeete und Rabatten. Mittheilungen. Fragen und deren Beantwortung. Monatskalender (Mai).

Arühtingsfreuden.

Wenn der Frühling seinen Einzug hält und mit seinem war­men Hauche endlich selbst das zäheste Eis geschmolzen hat, da fängt es auch an zu thauen in den Menschenherzen. Sogar die Herzen, welche in dem winterlichen Froste ganz kalt geworden und kaum noch lebensfähig zu sein scheinen, auch sie thauen wieder auf und erwär­men sich an den milden Strahlen der freundlichen Frühlingssonne. Schwer zwar lassen sich erkältete Menschenherzen erwärmen, und diese erinnern uns lebhaft an die Bäume und Pflanzen, welche im Früh­ling lange kein Lebenszeichen von sich geben, und sich erst allmälig wieder regen, wenn andere längst fröhlich treiben und blühen. Aber wie oft werden dann jene schnell aufthauenden Herzen wie die bei den ersten Frühlingsstrahlen sich öffnenden Blumen von dem oft plötzlich eintretenden Froste geknickt. Es geht ihnen wie dem Schmetterling, welcher den ersten freundlichen Lenzestagen schon voll Freude ent­gegenflattert und nicht ahnt, wie bald auch seine Lust in Leid sich ver­wandeln kann. Es ist daher immer besser, wenn wir etwas zurück­haltend sind und auch die Frühlingsfreuden mit allem Vorbehalte ge­nießen; denn wer sich sorgenlos der Freude hingibt, wird den Schmerz um so bitterer empfinden. Nicht genug können wir daher den Garten­freunden empfehlen, auch dem prachtvollsten Frühlingswetter nicht so volles Vertrauen zu schenken, und ihre zarten Lieblinge nicht ohne Schutz dem Freien anzuvertrauen; denn wie bald hätte ein rauher Frost ihr junges Leben geknickt. Man kann ja seine Freude haben an den Blumen, welche weniger empfindlich sind und unbeschadet auch bei rauherm Wetter fröhlich fortblühen. So sind z. B. die Bellis oder Liebblümchen, auch Maßliebchen und Tausendschönchen genannt,