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Der Obstbau. 1888.

gar bald in einer Gemeinde rationelle Pflanzen­regeln allgemein zur Anwendung kommen, wenn der Gegenstand in der angedeuteten Weise sich der allgemeinen Aufmerksamkeit und des allge­meinen Interesses zu erfreuen hat. Es werden alsbald nur noch schöne, gesunde und kräftige Bäume zur Anpflanzung kommen; es werden die geeignetsten Sorten ausgewählt werden; es werden solide Bezugsquellen junger Bäume, sofern diese nicht am Orte selbst gepflanzt werden und dieses ist gar nicht notwendig bekannt werden und unsolide Angebote, wenn auch noch so billig, keine Berücksichtigung mehr finden. Man wird ferner in Pflege und Behandlung der neugepflanz­ten Bäume, im Schnitte gar bald vernünftigen und einheitlichen Methoden huldigen; man wird bei älteren Bäumen, die jahrelang keinen Ertrag mehr lieferten, ans Umpfropfen denken, man wird die Bäume reinigen und düngen, und es wird eine Freude sein, alljährlich das wahrzunehmen und zu notieren, und auch weiteren Kreisen be­kannt zu machen, was geleistet worden, und welche erhöhten Erträge dadurch erzielt wurden. Denken wir uns nun einen solchen Vereins­geist, eine solche Vereinsthätigkeit in einer Ge­meinde, denken wir uns dann sämtliche Gemeinden eines Bezirks auf diese Weise thätig und zu einem Bezirksobstbau-Verbande oder Bezirksobstban- Vereine verbunden, so würde sich auf diese Weise gar bald von selbst auf solider Grundlage eine Obst­baustatistik entwickeln, ohne welche die Ausbrei­tung und Verallgemeinerung erprobter Regeln und Grundsätze nicht denkbar ist, und ohne welche der Obstbau auch nie zu einem rationellen und rentablen Wirtschafts- und Industriezweige im großen emporblühen wird. Die Sache ist aber angesichts der allgemein anerkannten und empfundenen Notlage der Landwirtschaft von großer Wichtigkeit und es ist dringend notwendig, daß dem Obstbau unter allen übrigen Zweigen der Landwirtschaft eine ausnahmsweise Aufmerk­samkeit und Förderung zugewendet wird. Er ist nebst der Viehzucht gegenwärtig fast noch der einzige Zweig, bei welchem eine Überproduktion und Entwertung der Produkte ans eine lange Reihe von Jahren hinein nicht befürchtet werden darf. Es winkt hier im Gegenteil ein un­

geheurer Bedarf von allen Seiten her einer er­höhten Produktion, so daß in diesem Wirtschafts­zweige noch lange ein gesunder Zug stattfinden wird. Getreidebau, Hopfenbau, Bienenzucht, geraten bei hohen Ernteerträgnissen in die Lage, ihre Produkte nicht absetzen zu können, weil es an Bedarfsstellen fehlt, und dieses muß immer mehr entmutigend wirken. Anders aber beim Obstbau. Hier muß die Produktion noch unendlich erhöht werden, um den Bedarf zu decken, und es ist ganz außer Zweifel, daß sich noch lange Zeit hindurch der Bedarf an Obstprodukten in zunehmendem Maß ausdehnen und steigern wird.

Überreiche Obsternten werden daher noch lang ein bloßes Wunschding bleiben, um so mehr, als wir, wie bereits eingangs bemerkt, hier den vollen Ertrag unserer Verbesserung nicht kurzer Hand einheimsen können, sondern zum Teil ganz haupt­sächlich für unsere Kinder sorgen. Um so mehr ist es daher auch angezeigt und der Natur der Sache entsprechend, daß die Jugend, die Heran­wachsende Generation selbst, in den Bereich der Hebung und Förderung dieses Wirtschaftsgegen­standes hineingezogen wird.Neues Blut, neues Leben" wir wiederholen es. Ganz besonders werden auch hier die Worte Rückerts ihre Be­stätigung finden:

Was ihr dem lockern Grund einpflanzt, wird Wurzel schlagen;

Was ihr dem zarten Zweig einimpft, wird Früchte tragen.

Zuerst aber soll in der Jugend das wirt­schaftliche Interesse für den Obstbau geweckt, zuerst die Einsicht in die wirtschaftlichen Verhält­nisse ermittelt werden, und dieses wird dann das beste Zugpflaster für praktische Tüchtigkeit und Befähigung im Obstbaue abgeben, welche ja größtenteils doch Sache der eigenen Erfahrung ist.

Rettung eines Bunins durch künstliche Wurzetbitdung.

Ein auf Quitten veredelter, etwa Ivjähriger Birnbaum kränkelte vor zwei Jahren bedeutend, machte nur schwache Triebe und hatte gelbes Laub, die Früchte waren klein und krüppelhaft. Auf Rat eines Sachverständigen schnitt ich alle