Der Obstbau. 1890.

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Ursachen der Unfruchtbarkeit unserer Obstbäume.

Wie schon in so manchem Jahr, so erfreute sich auch in diesem unser Auge an dem herr­lichen und reichen Blütenschmuck unserer Obst­bäume, man hoffte auf einen reichen Erntesegen. Leider sahen wir uns nur zu bald durch das Abfallen der Blüten in unseren Hoffnungen sehr enttäuscht.*) Diesen Mißstand zu bekämpfen und zu beseitigen, liegt im Interesse und ist Pflicht eines jeden Obstzüchters. Um aber das Übel mit der Wurzel fassen zu können, ist es zunächst nötig, seine Ursachen zu erforschen und kennen! zu lernen.

Der Abfall der Blüten und die damit ver­bundene Unfruchtbarkeit der Obstbäume wird gewöhnlich der Ungunst der Witterung, oft mit Recht zugeschrieben; denn leider nur zu häufig fällt in die Zeit der Blüte kühle Tempe­ratur, wie es auch in diesem Jahre gelegentlich der Steinobstblüte (Kirschen und Pflaumen) der Fall war. Wenn die Blüten auch nicht gerade erfrieren, so wird doch die Befruchtung derselben insofern wesentlich beeinträchtigt, als einmal die Staubfäden zu wenig Blumenstaub bilden und die Narbe der Blüte nicht genügend Klebmasse ansschwitzt, und das andere Mal die Thätigkeit der Insekten sehr viel zu wünschen übrig läßt.

Aber auch länger anhaltender Regen zur Zeit der Blüte kann auf den Fruchtansatz sehr nachteilig einwirken, was leider die Er­fahrung so oft beweist. Fast ebenso schädlich kann aber auch zu große Hitze wirken, indem die Blüten vor dem Befruchtungsakte geradezu verwelken, was z. B. im verflossenen Jahre bei vielen Apfelbäumen der Fall war.

Gegen diese Natureinflüsse können wir leider nur in ganz beschränkter Weise, z. B. bei Form- Obstbäumen ankämpfen. Man hat es versucht und auch teilweise mit sehr gutem Erfolg durch­gesetzt, in geschlossenen Obstgärten durch Räu­chern, indem man Teer oder Abfallreisig, Un­kraut 2C. 2 c. verbrennt, künstliche Wolken zu bilden, um die Ausstrahlungswärme des Bodens

*) Dies trifft glücklicherweise in Württemberg nur teilweise zu.

zu verringern und somit die Blüten vor Frost zu schützen.

Desgleichen empfiehlt es sich, bei empfind­lichen Blüten an südlichen Mauern, falls eine zu hohe Erwärmung derselben es nötig erscheinen läßt, durch eine leichte Schattierung die grellen Sonnenstrahlen zu brechen, wie man öfters zu sehen Gelegenheit hat.

Sehr häufig ist Insektenfraß sowohl direkt als indirekt die Ursache der Unfruchtbarkeit unserer Obstbäume und zwar möchte ich im ersteren Falle den Apfelblütenstecher, Anthono- mus pomorum. welcher auch in diesem Jahre so ! außerordentlich viel geschadet hat und den auch die Hauptschuld bezüglich Abfalls der Blüten und ganzer und teilweiser Unfruchtbarkeit der Apfel­bäume trifft, obenanstellen.

Wer hat nicht braune, geschlossene Blüten in Masse und in diesen ein schmutzig gelbes Würm­chen, die Made des Apfelblütenstechers, gefunden. Die Blumenblätter sehen wie verbrannt ans, daher auch der NameBrenner". Dieser schäd­liche Rüsselkäfer ist klein (5 mm lang), sein Rüssel verhältnismäßig lang. Man findet den­selben im Herbst und Winter hinter der Borke besonders an alten und vernachlässigten Bäumen, manchmal zu Dutzenden hinter einer Schuppe sitzen. Im Frühjahr, kurz nachdem die Blüten­knospen geplatzt sind, verläßt dieser Käfer sein Überwinternngslokal und beginnt sein zerstörendes Werk, indem er mittelst seines langen Rüssels die einzelnen Blüten ansticht und in die Öffnung ein Ei legt, ans welchem sehr bald eine Made hervorgeht. Diese frißt die Geschlechtsorgane aus und es wird eine solche Blüte, da sie un­fähig ist, sich befruchten zu können, vom Baume abgestoßen.

Andere gleichfalls in die Kategorie der Rüssel­käfer gehörige Schädlinge sind der Birnknospen- stecher, Antdonomus piri, und der Obststecher, Apion ßomcmno. Wie die Namen sagen, sticht der erstere die Knospen und zwar hauptsächlich die Blütenknospen der Birnen an und legt gleichfalls ein Ei in diese. Die daraus hervorgehende Made frißt dieselbe aus und zerstört sie. Dieser sowohl als der Obststecher sind klein, kaum 5 mm lang, während der purpurrote Apfelstecher, ßhynchites