50 Der Obstbau.

angenommen, daß die genannte Mischung als Gist ans den Parasiten wirkt, ohne der Wirtspflanze' Schaden znzufügen. Es lag sehr nahe, sich die Wirkung der Knpserpräparate in dieser Weise zu erklären; denn Kupfer ist bekanntlich für die Pflanze, insbesondere für manche niedere Orga­nismen, ein äußerst scharfes Gift. Aus ver­schiedenen Gründen schienen jedoch dem Redner die Vorstellungen über die Wirkungsweise der Äupfer-Kalksalze unbefriedigend. In den letzten Jahren bot sich dem Vortragenden reiche Gelegen­heit, in den Weinbergen der Umgebung von Stuttgart die für ihn noch offene Frage weiter zu verfolgen.

Zunächst war es leicht, sich davon zu über­zeugen, daß der Pilz selbst durch wiederholtes und reichliches Spritzen in vielen Fällen nicht völlig beseitigt, sondern nur in seiner Entwicklung ge­hemmt wird. Insbesondere aber erschien die heute jedem Praktiker bekannte Thatsache merkwürdig, daß das Laub gespritzter Reben im Verlaufe der Zeit eine eigentümlich dunkelgrüne Färbung an­nimmt, deren Abnormität namentlich gegen den Herbst hin in die Augen springt. Endlich hat die Erfahrung gelehrt, daß das Laub gespritzter Reben sich auffallend lange frisch erhält. Würde es nun zntreffen, daß es sich bei» Anwendung der Bordeauxbrühe lediglich um ein Unschädlichmachen des Pilzes handelt, so bliebe schlechterdings rätselhaft, wodurch denn jene abnormen Allge­meinerscheinungen hervorgernfen werden. Die durch das Spritzen vom Pilz befreite Pflanze müßte doch zum normalen Zustande znrück- kehren! Dies geschieht jedoch nicht, sondern die Pflanze zeigt vielmehr im Vergleich zu gesunden nngespritzten Pflanzen sehr erhebliche Ver­änderungen.

Gelegentlich einer im Oktober 1890 in die Weinberge von Bönnigheim unternommenen Ex­kursion hatte Redner Gelegenheit, die fraglichen Erscheinungen in scharf ausgeprägter Weise be­obachten zu können. Sehr auffallend war zu­nächst die satte dunkelgrüne Blattfarbe der ge­spritzten Stöcke im Vergleich zu den ungespritzten, vom Pilz nicht befallenen Reben. Gespritzte und nngespritzte Reviere wechseln miteinander ab: wie abgeschnitten hob sich die verschiedene Fär-

Aprilheft 1895.

bnng der Blätter schon von weitem in den ein­zelnen gespritzten Revieren ab, so daß ein Ver­wechseln gar nicht möglich war. Des weiteren war der Reifezustand der Trauben an den ge­spritzten Reben um wenigstens 14 Tage weiter vorgeschritten, als derjenige der Trauben an un­gespritzten Stöcken. Endlich war an den letz­teren der Ertrag zweifellos geringer. Die Beob­achtungen wurden in der Folge in vielen Hun­derten von Fällen bestätigt gesunden. Daß pilz­kranke, aber gespritzte Pflanzen gesünderes, kräf­tigeres Laub entwickeln, als nngespritzte erkrankte, läßt sich nach den bisherigen Erfahrungen ja leicht begreifen. Im vorliegenden Falle aber handelte es sich um g e s u n d e Pflanzen, die sich im übrigen unter annähernd gleichen Bedingun­gen entwickelten: Alter, Rasse der Reben, Boden­beschaffenheit, Lage, Düngung ic. wirkten in beiden Fällen als gleiche Faktoren. Diese Be­obachtungen drängten nun zu der Vermutung, daß die Wirksamkeit der Bordelaiser Mischung nicht bloß auf d i r e k t e r H e m- mung der Entwicklung des Pilzes be­ruht, sondern zugleich auch ans einer Einwirkung auf den Gesamtorganis­mus der Pflanz e. Auf Anregung und unter Leitung des Vortragenden unterzog sich daher C. Rumm der Aufgabe, die aufgeworfene Frage einer experimentellen Prüfung zu unterziehen. Runun begann seine Untersuchungen im Sommer 1892. Für seine Zwecke konnten selbstredend nur völlig gesunde Weinreben in Betracht kommen. Der Jahrgang war für die Untersuchung inso­fern günstig, als die Blattfallkrankheit gar nicht oder nur ganz vereinzelt auftrat. Die Versnchs- stöcke befanden sich unmittelbar neben einander, wuchsen an derselben Wand empor, waren gleich entwickelt, völlig gesund, von derselben Rasse und denselben Alter. Gespritzt wurde im Vorsommer unmittelbar vor der Blütezeit (9. Juni) und so­dann noch einmal (allerdings etwas spät) am 20. September, auf welchen Zeitpunkt jedoch noch etwa 12 warme, ja zum Teil heiße Tage folg­ten, ehe am 10. Oktober eine längere Regenzeit eintrat. Die Ergebnisse der Spritzversuche waren nun folgende.

Der Unterschied in der Blattfärbnng war