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köstlichen Blutes hervor, färbt die weisse Rose und begabt sie mit süssem Duft.

Bei Homer salbt Aphrodite den Leichnam des göttlichen Hektor. Achill hat nämlich zur Toten­feier seines Patroklos zwölf erschlagene Troer mit ihm verbrannt. Nur Hektors Leichnam soll nicht verbrannt, sondern von Hunden zerrissen werden. Da heisst es:

Doch ihm nicht naheten Hunde, Sondern die Hunde entfernte die Tochter Zeus', Aphro­dite,

Tag und Nacht und salbte den Leib mit ambrosischem

Balsam

Rosigen Dufts, dass nicht ihm die Haut er zerscbar-

rete, schleifend. (II. 23, 185.)

DieserBalsam rosigen Dufts", noch heute in Griechenland beliebt, ein Olivenöl, in das man so lange Rosenblätter legt, bis es den Duft genugsam eingesogen hat, wird von den Händen der Rosen­göttin, sonst aber auch von Menschenhänden ge­braucht, um die Yerstorbenen zu salben. Auch die Grabhügel werden mit Rosen umgeben und zum Gedächtnis der Toten werden Rosenfeste ge­feiert. Mit einem Worte an jedem einzelnen dieser vielen Züge wird der ganze griechische National-Charakter offenbar. Dieses Gemüt, sonnig wie der Berg Helikon und wonnig wie das Thal Tempe, ist immer auf den Schmuck des Lebens, auf den Genuss des Daseins bedacht, und selbst angesichts des Todes, wo ihm nur Schmerz und Dunkel übrig blieb, musste die Rose noch den zarten Schleier hergeben, um den Anblick der bleichen Trostlosigkeit zu verhüllen. Das ist's, wovon der Dichter sagt:

Dass sie am Schmerz, den sie zu trösten Nicht wusste, sanft vorüherführt, Doch halt' ich für der Zauber grössten, Womit uns die Antike rührt."

Ganz anders stellt der römische Charakter sich an der Rose dar in seiner ernsten Würde und fast finstern Strenge. Zwar ruft auch Iloraz aus:

Freund, was quälst du dein Herz mit Ge­danken, die an den Ratschluss des Ewigen doch nimmer hinanreichen! Auf, lass uns zechen, im Schatten der hohen Platanen hingestreckt, und lass uns unser graues Haar mit duftigen Rosen kränzen, so lange es noch Zeit ist."

(Od. II, 11, 12.)

aber er hat so will es mich stets bedünken diese Art Leichtlebigkeit erst den Griechen und ihren Dichtern, vor allem dem Anakreon und der Sappho, abgelernt. Echt römisch dagegen ist jene andere Bedeutung der Rose, die uns Winkelmann kennen lehrte, wonach die Rose als Symbol der Verschwiegenheit galt. So wie ihre zahlreichen Blätter ihr Inneres verbergen, so soll bei Wein und Freude der Mann sein Denken verschweigen. Im Saale des römischen Ritters,

wo auf überladener Tafel nicht bloss üppige Speisen den Gaumen reizen, sondern auch die feurigen Geister funkelnder Weine den klaren Geist umnebeln und dabei doch die Zunge mächtig lösen, da hängt die Rose an langem Faden von der Decke des Saales herab und schwebt so mitten über der Tafel. Sie soll dem Schmauser und Zecher sagen: Verschliesse auch du dein Inneres und hüte deine Zunge; das einmal entschlüpfte Wort kehrt nicht zurück, und morgen möchte es den ernüchterten Sinn gereuen, wenn heute die lockere Zunge etwas ausplaudert.

Wenn wir nun so in der alten Welt die Rose als ein zweifaches Zeichen, dort der Lebenslust, hier der Verschwiegenheit finden, tritt dann nicht ihre durchaus symbolische Bedeutung klar hervor, Aber tritt nicht auch, was noch viel wesentlicher ist, an ihr die ganze Verschiedenheit des Charak­ters der beiden grossen Kulturvölker der alten Welt ins Licht?

Hier ist beiläufig zu erwähnen, dass an jene altrömische Sitte noch heute die Redewendung erinnert ,,sub rosa etwas mitteilen", d. h. unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Dieselbe Be­deutung hat der Reim:Was wir kosen, bleibt unter den Rosen."

Jene altrömische Symbolik erneute der Papst Hadrian VI. (1521), als er an den Beichtstühlen Rosen anbringen Hess ein Symbol des unver­letzlichen Beichtgeheimnisses.

Wir sagten, dass die gefüllte Rose in Gestalt der Centifolie bei den Völkern der alten Welt bekannt und beliebt war. Persien, speziell Schiräs, gilt als die Heimat der Centifolie, Aegypten als die Hauptpflegestätte. Nur das alte Israel scheint sie nicht gekannt zu haben; wenigstens ist es eine höchst auffällige Thatsache, dass die Rose im Alten Testament nirgendwo erwähnt wird. Nur in einer Stelle des Hohenliedes (2, 2) tritt sie in Luthers Uebersetzung auf; doch sind die Ge­lehrten einig, dass das hebräische WortLilie" bedeutet. Doch hat Luthers Uebersetzung Veran­lassung gegeben, dem Heiland in geistlichen Liedern den NamenSaaronsblume" beizulegen und dieses Bild in Verbindung mit der Weissagung des Je- saias (.11, 1):Es wird eine Rute aufgehen vom Stamme Isais," liegt dem bekannten Weihnachts- liede zu Grunde :

Es ist ein' Ros' entsprungen Aus einer Wurzel zart"

wo Maria mit dem Reis, das Christuskind mit der Rose verglichen wird.

Als wir Kinder waren, sangen und schrieben wir freilich vielleicht ist das auch dir, Leser und Leserin, so ergangen :Es ist ein Ross entsprungen." 0 glückliche Naivetät! Ein weg­laufendes Pferd ist ja immerhin auch etwas auf' regendes.