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Der Obstbau. Aprilheft 1909.

Obst soll jedenfalls nur da gewählt werden, wo genügend Lust und Sonne hinkommt. Bezüglich der Obstarten und Baumformen ist hier wenig Beschränkung geboten. Das leitende Motiv muß der Schönheitssinn sein, deshalb sind nur ausschließlich schön und regelmäßig wachsende Sorten zu verwenden.

Zur Wandbekleidung ist in einer Weingegend das Weinspalier sehr wohl angebracht, nicht aber in rauhen Gegenden, wo sonst kein Wein mehr gebaut wird. Man darf sich im Blick auf die günstigeren Wärmeverhältnisse an den Mauern nicht zu sehr darauf verlassen, daß noch etwas Ordentliches zu erwarten ist. Insbesondere fehlt es da an der späteren Pflege. In einer Wein­gegend findet man sämtliche Spaliere gut be­schnitten und geheftet. Wo aber kein Wein mehr gedeiht, fehlen auch fast immer die Leute, die den Rebschnitt verstehen, und man hat dann statt der Früchte und regelrechter Formen ein ver­wahrlostes Gestrüppe an der Wand kleben. Die Peronospora tritt zwar an vereinzelten Rebspalieren bekanntlich weniger auf, dagegen finden sich andere Schädlinge, der falsche Mehltau, die Schildläuse mit besonderer Vorliebe dort ein und der Besitzer hat nur Ärger und Kosten. Besser macht sich in diesem Fall ein Birnenspalier.

Mitunter findet man die spätesten, anspruchs­vollsten Birnsorten in ganz schöner Ausbildung an den Häusermauern und ich möchte schon wegen der besseren Widerstandsfähigkeit gegen Ungeziefer gerade der Birne als Wandspalier das Wort reden. Die Bäume brauchen durchaus nicht immer auf Zwergunterlage veredelt zu sein. Die meisten Hauswände sind hoch, es ist Raum genug zur Ausdehnung. Bei richtiger Behandlung läßt sich mit Birnen und Äpfeln auf Wildling eine Hauswand ganz vortrefflich be­kleiden, wie die schönen großen Spaliere, wie sich solche auch an den Giebelwänden in vielen Dörfern im schwäbischen Oberland finden, beweisen dürften. Zudem sind die Bäume auf Wildling viel weniger anspruchsvoll und bedeutend widerstandsfähiger gegen Krankheiten. Als Hauptform ist nach der Straße zu die schön gezogene Pyramide am besten, diese fast ausschließlich auf Zwergunterlage. Hohe Pyramiden versperren die Aussicht nach der Straße,

sie sehen auf kleinem Raum nicht schön aus. Und wenn dieselben, um sie niedriger zu halten, un­verhältnismäßig stark zurückgeschnitten werden, so bleibt der erhoffte Ertrag aus. Kunstformen sind nur dann zu empfehlen, wenn sie unter sach­verständiger Pflege stehen und dauernd schön gehalten werden. Öfteres Bespritzen der Bäume wegen des anhaftenden Straßenstaubs darf nicht unterlassen werden. Wagrechte Kordons sollen nur da verwendet werden, wo genügend Luft und Licht an sie gelangen kann.

Beerenobst ist auf der Straßenseite niemals angebracht; der Straßenstaub macht die Früchte unappetitlich. Dasselbe ist mit Steinobst der Fall; beide Obstarten kann man nicht schälen. Weintrauben zwar auch nicht, aber diese kann und soll man, schon wegen der Wespen und Vögel, in Säckchen einbinden.

Der Hausgarten hinter dem Haus, auf der Hofseite, bietet mehr Freiheit bezüglich der Wahl der Obstarten, dort kann alles an­gepflanzt werden. Er hat aber den großen Nach­teil, daß er, wenn er nicht gerade nach dem offenen Feld zugeht, zu wenig Luft und Licht bekömmt. Es ist durchaus fehlerhaft, in einen eng durch Nachbarhäuser eingeschlossenen Garten Obstbäume zu pflanzen. Sie wachsen spillerig in die Höhe und von Ertrag ist kaum je die Rede. Dagegen sind diese Gärten die Brutstätten für Blut-, Schild- und Blattläuse, die bekanntlich alles, aber keinen Wind vertragen können. Ebenso ist das Fusikladium dort zu Hause, wie nirgendwo anders.

Bei den niedrigen einstöckigen Häusern auf dem Land dagegen lassen sich dort sehr gut Hoch- und Halbhochstämme anbringen, die mit­unter ganz besonders reichtragend sind. Die Kronen ragen über die Dächer hinaus und die Wurzeln stehen immer in feuchter Erde, weil die Sonne den Boden nicht leicht austrocknen kann.

Am besten sind die Hausgärten, die sich an das freie Feld anschließen; hier sind alle Bedingungen für ein gutes Gedeihen der Obstbäume gegeben. Leider muß auch dabei ein Fehler gerügt werden, der sich so oft wieder­holt:das zu nah an dieGrenze setzen." Wenn sich die Besitzer untereinander einigen