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Säugetiere zu gründe gelegt wird. Wie beurteilt Möbius das Pferd? »Die schönste Form der Einhufer, Equidae, ist das Pferd, Eqms caballusL. EinPferd, das ohne sichtliche Anstrengung mit einem Reiter an uns vorüberjagt oder einen Wagen fortzieht, erscheint uns als fühlender Ueberwinder der Schwere des eigenen Körpers und der Lasten, die es mit sich fortbewegt. Junge Pferde mit abgerundeter glänzender Haardecke, mit erhobenem Halse und feurigen Augen, die diese Bewegungen mit spielender Leichtigkeit ausführen, gefallen uns mehr als langsamere alte Pferde mit matten Augen, deren Knochen unter der eingefallenen I laut zu sehen sind, deren Rücken eingebogen ist, deren Hals, Kopf und Bauch wie schwere Lasten niederhängen. Wir entnehmen daher die Eigenschaften des schönen Pferdes solchen Individuen, deren Gestalt und Bewegungen innere Kraftfülle verraten.
Es sind also nicht etwa Längenverhältnisse des goldenen Schnittes zwischen Rumpf, 1 [als, Kopf und Beinen, die
unserer ästheti- schenBe- urteilung des Pferdes zu gründe liegen, wie von manchen
angenommen worden ist; denn in einem gealterten, mageren Pferde arabischer, englischer oder ost-
Massverhältnisse zwischen diesen Teilen ebenso wie in einem kräftigen jungen Individuum derselben Rasse.
In der Proportionalität des goldenen Schnittes glaubte A. Zeising 1 ) eins der wichtigsten Schönheitsgesetze entdeckt zu haben, das, wie er sagt, »den Massstab für fast alle ästhetischen Urteile abgibt und eine dunkle Autorität ist, der sich niemand ganz entziehen kann,« keine Wissenschaft darf sich aber auf dunkle Autoritäten berufen, auch die Ästhetik nicht. Nicht verborgene, zusammengesetzte, nur durch Ausmessungen und Rechnungen zu findende, sondern einfache, auf den ersten Blick erkennbare Grössen-Verhältnisse haben ästhetischen Wert. Betrachtungen über Massverhältnisse des Pferdes nach dem goldenen Schnitte findet man bei F. Ro- loff, 2 ) M. Wilckens 3 ) und G. Schwarz- necker 4 ). Diese Pferdekenner stimmen darin überein, dass zur Schönheit der Pferde mehr Eigenschaften gehören, als Längen ihrer verschiedenen Körperteile nach Verhältnissendes goldnenSchnittes.*)
25. Eine altere lonnenförmigc Larve einer Seegurke (Syuapla digitata), durch deren durchsichtige Korperwand fünf Längs- muskeln durchschimmern , in der Mitte der schraubenförmig gewundene Darm. Hinten (unten) sind mehrere zierliche Kalk- rkdehen sichtbar, vorn (oben) verästelte Kalkstabchen, die einen Ring um die Basis des funfstrahligen Kühlerkrnnzcs bilden. Hacckel, >Runslformeu der Natur«.
preussi- scher Rasse
sind die
') A. Zeising, »Ästhetische Forschungen«, Frankfurt a. M. 1855. *) F. Roloff, »Die Beur- teilungslehre des Pferdes und des Zugochsen«, Halle, 1870. ;i ) M. Wilckens, »Form und Leben der landwirtschaftlichen Haustiere«, Wien, 1878. 4 ) ('■. Schwarznecker, »Rassen, Züchtung und Haitang des I'ferdes«. Berlin 1884.
*) Man soll den Wert der Verhältnisse des goldenen Schnittes bei der ästhetischen Beurteilung des Körpers von Menschen und Säugetieren nicht tiberschätzen. An einer anderen Stelle (in der erstgenannten Schrift) warnt Prof. Möbius vor der Ueberschätzung: »Wer den wohlgefälligen F.indruck eines Menschen oder Tieres dadurch erklärt zu haben glaubt, dass er in ihrem Bau die Verhältnisse des goldenen Schnittes nachweist, der sieht ab von deren übrigen, ihre Schönheit mit bedingenden Eigenschaften, nimmt sie also nicht als die ganzen einheitlichen Eigenschaften, als welche sie gerade ästhetisch wirken. Wären die I.ängenver- hältnisse der Körperteile des Menschen und schöner Wirbeltiere die zureichende Grundlage ihrer Schönheit, so müsste diese in deren gesäuberten Skeletten noch deutlicher und einheitlicher hervortreten, als in den durch Muskeln und Haut verhüllten Knochen, von deren Grösse, Form und Verbindung die Masse der Weichteile abhängig sind. Hat man im Bau eines Pferdes Verhältnisse des goldenenSchnittes gefunden, als es jung und schön war, so wird man sie an ihnen auch noch finden, wenn es alt und hässlich geworden ist. »Schönheit braucht nicht durch Massstab und Zirkel aufgedeckt zu werden, sie wird unvermittelt wahrgenommen.', (Sitzungsber. d.Kgl.Prettss. Akad. d. Wissenschaften zu Berlin, 18(15, S. 1011.)