2. Jahrgang.

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I Verantwortlich« Redaktion: Rabbiner Dr. B. CQolf in Köln.

Die Mitglieder des

werde« gebe»««, ihre» Beitrag für d«S laufende Jahr bis zum

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a« de« R»«da«te« des Vereins Herr« 8. Banaiiee i« Kuaklrchen ei«zufe»de«, damit die Zustellung des ״Jüdische« B»lkSsreu«deS" keine Nuterbrechuug erleidet.

Söweigen 6010??

Eine ernsthaste Purimplauderei.

״Denn wolltest du schweigen in einer Zeit wie diese, dann werden Freiheit und Rettung den Zudeu er stehen von anderer Leite: du aber und dein Vaterhaus, zu Grunde werdet Ihr gehen."

Ein kalter Februarmorgen. Dein eiligen Wanderer, der als noch der winterlichen Tonne erster Strahl im Kampfe lag mit dem nächtlichen Düster das Heim verlassen hatte, begegnete jetzt, schon Tage und Wochen, allmorgendlich lässig einher- gehende, lärmende Gestalten in buntscheckigen Ge- Mündern, von übernächtlicher Ermattung und a>rs- gelaffeneni Gelächter das Antlitz verzerrt. Der ernste Wandere׳, neidet ihnen nicht ihre fröhliche Lust. Er gedenkt des ״Maskenfestes", das jährlich einmal auch ec mitfeiert, und fortschreitend sinnt er nach über die Eigenart dieses Festes, dem er auch dieses Mal freudig entgegenblickt. Sein Fest der ausge׳ lassenden Freude wird angekündigt durch einen Tag

des Fastens, und ist der Tag des ״Mastenfestes" bei uns eingekehrt, dann wird er eingeleitet durch einen Aufruf, der Freunde freigebig zu gedenken und den Armen f e st l i ch heitere, sorgenlose Stunden zu bereiten. Wie ganz an- ders dock! die Maskenballnächte und das wüste Treiben jener! To sinnend erreicht der Wanderer sein Ziel, das Gotteshaus, und noch erfüllt von den tstedanken der Straße betet er mit Stolz und Inbrunst: ״Hei! uns! Wie gut ist doch unser Teil! wie lieblich doch unser Los!" Die Verbindung zwischen dem Erlebnis der Straße und dem gewohnten Frühgebet hatte sich ihm loie eine natürlich« Folge ganz von selbst dargeboten. Was Wunder! Ist doch nichts Menschliches dem Judentum fremd! Hat doch Raum für alles Menschliche das Judentum, wenn es nur vom Geiste des Judentums durchdrungen, im Geiste des Judentums erfaßt und erlebt wird! Selbst für lustiges Gelage und fröhlichen Mummenschanz und was sonst noch zum Schellengefolgt des Purimfestes gehören mag. Es besteht nun einmal in jeder mensch- Iichen Brust ein Hang zur Lust, es drängt jeden Menschen, von Zeit zu Zeit wenigstens auf kurze Stunden in Ungebundenheit alle Sorge und sich selbst ganz zu vergessen, und nichts was Menschen- natur ist, kann zu ewiger Ruhe, zu ewigem Schiveigen verurteilt werden.

Dem Purimftst gerade ward die Bestimmung, diesen Trieb in der menschlichen Ratur aus seiner schweigsamen Ruhe zu erwecken und sich selbst zu be tonen und entfalten zu lassen, tveil die Purimaefchichte wie kein anderes nationales Ereignis Israels uns bis in ihre einzclsien und kleinsten Züge zeigt wir das Judentum cir rf , als es gefährdet war. zur rückhalt losen Sclbstbetonnng unter Ueberwindung der Schwächen menschlicher Natur sich emporgeschwungen bat. D׳e irdische Freude als Reaktion gegen den

schweren Seelenkamps, der in der Gegenwart, wie ehemals in der Bergangenheit, in Europas Ländern, wie einst in Persien, der Judenheit nicht ersvart bleibt! Mögen auch die Kampseslosungen wechseln, niag der Feind auch- nicht iinmer in seinen letzten Zielen einem Haman gleichen, ringen muß dar Juden tum für seinen Bestand in allen Zeiten und nur ein einziges Webrmittel bereitet ihm den Sieg: die mutige Selbstbetcnuna. Selbstbetonung, nicht feige Selbstverleugnung, nicht ivürdeloseS Schweigen, so klingt cs inannhaft aus der Botschaft, ivelche N.'ordechai ergehen läßt an die zaudernde Königin, die sich weigert, als Jüdin vor dem Gatten, dem König sch zu bekennen und für ihr jüdisches Boli vor ihm die Stimme zu erheben. Es ist das die Betonung des eigenen Wesens, der eigenen Würde, die nicht geduldig ertragen will falsche Anklagen, trügerische Verhetzung, verleumderische Anzettelung: dic Betonung des eigenen Wertes, der berechtigten Eristenz, die nicht ,zurückweichen, nicht wehrlos sich erwürgen lassen will durch selbstsüchtiges Trachten eines Ehrabschneiders mit tnranniscben Gelüsten: das Selbstbewußtsein des hohen, inneren, sittlichen Gehalts, welches auch vor Königsthronen nickt ver stuminen will und darf. Denn nickt immer ist ״Schweigen Gold". ״Schweigen gleicht einem Zu geständnis". Schweigen verrät zuweilen Mutlosig- seit. Verzagtheit, Feigheit. Hinter der Schweigsam- keit versteckt sich oft kraftlose Verzweiflung, der Ver- lust des Glaubens an sich selbst und gilt es dem Schicksal des Judentums der Verlust des Bewußt seins von Gottes Waltung in der Weltgeschichte. ״Wer weiß, ob nicht gerade wegen eines Zeitpunktes ivie der gegenwärtige es ist. du überhaupt zur Königs- würde g'langen solltest." So urteilt und warnt Mordechai, der Jude, welchen in diesen dem Juden tum so feindseligen Zeiten zur mutigen, selbstbe

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Jankel warf einen Blick auf feine Frau, als fürchte er von dieser Seite eine Opposition. Aber diese stand auf und ging sofort daran, die Betten zu verpacken indem sie zu ihrem Manne sagte:

״Wir und unsere Kinder werden auf dem Be- wnßtsein, dem Rabbi aus einer Verlegenheit geholfen zu haben, viel besser ruhen, als auf den weichsten Betten."

In einer Viertelstunde war Jankel und der Kutscher des Rabbi schon aus dem Wege ins nächste Dorf. In anderthalb Stunden kam Jankel freude- strahlend zurück und legte dem Rabbi zwölf Gulden mit den Worten hin:

״Der Rabbi ist ein guter Kaufmann: genau zwölf Gulden habe ich für die Betten bekommen, nicht mehr und nicht weniger. Wie bilt ich glücklich dem Rabbi aus seiner Verlegenheit Helten zu können!״

Der Rabbi nahm daS Geld an sich, segnete seinen Schüler, sowie die Kinder mit ihrer Mutter und ordnete dann die Weiterfahrt an. Sie wollten im nächsten Dorfe übernachten. Jankel und seine Frau ließen eS sich nicht nehmen, den Rabbi noch bis zum Dorfe zu begleiten, «in dem Torfe sagte der letzter::

״Geht jetzt zusammen in Euer Haus zurück, es ist schon ziemlich spät: beeilet Euch und betet

noch rechtzeitig Mincha: wir haben das (Hebet schon verrichtet, während ihr vorhin fon wäret, um mir das Geld zu verschasicn. Auch Eure Kinder sind allein, geht zurück'."

Noch einmal segnete sie der Rabbi, und dann trennten sie sich. Der Rabbi war nun wieder mit seiner Reisebegleitung allein. Hirsche! und sein Reise- gefährre halten die gauze Handlungsweise ihres Lehrers geradezu unfaßbar gefunden, aber sie hatten nicht den Mut, um eine Aufklärung zu bitten. Sie verbrachten die Nacht in dem Torfe ohne ein besondere- Erleb- nis und legten dann die ganze Reise zurück, von welcher sie nach zehn Tagen wieder nach Hause kamen.

Seitdem war ungefähr ein Jahr verstrichen. Da sagte eines Tages Rabbi Israel Balschemtow zu seinem Lieblingsschüler:

״Hirsche!, ich bin dem Krckschmer noch immer die zwölf Gulden schuldig, länger will ich doch nicht auf eine Gelegenheit warten, ihm sein Geld zu schicken. Ick will morgen hinfahren und meine Schuld dort abtragen, wenn Tu willst, kannst Du mich begleiten."

Hirschrl hurte dir Sache zwar nicht vergessen, aber er batte geglaubt, daß die Schuld längst be- richtigt sei, zumal er wußte, daß auch damals, als sein Lehrer den Betrag entliehen, er reichlich mit Reisegeld versehen war.

״Ich nehme dankbar diese Ehre an", erwiderte Hirsche!, ״ober um diese vaar Gulden zu bezahlen, wird doch nicht der Rabbi die lange beschwerliche Reise unkernehmr» wollen d Wenn der Rabbi damit

einverstanden ist, bin ich gerne bereit, die.Retse allein zu machen und die Schuld zu begleichen." »

״Seine Schuld bezahlen", entgegnet« der Rabbi, ״ist eine von Gott gebotene Psi'cht, eine Mizwo. Eine Mizwo soll man aber womöglickstt selber tun und nicht durch einen Boten erfüllen lassen. Besorge nur einen Wagen für zwei Tage, bis dahin können mir die Reise aut zurückgelegt haben."

Der Rabbi ließ am folgenden Morgen sofort nach Tagesanbruch das gemeinsame Morgengebet ver- richten. Auf diese Weise konnten sie schon um vier Uhr morgens abreisen und erreichten nachmittags das Tors am Saume der Pußta, in dem sie vorige- Jahr die erste Nacht verbracht hatten. Aber diesmal machte der Rabbi hier nicht Halt, sondern im ge- streckten Galopp ließ er durch dasselbe fahren, direkt in die Pußta. zu Jankel SUßklndS Kretschme, die sie Abeud acht Uhr erreichten, als es noch Heller Tag war.

Wer aber beschreibt Hirsche!- bestaunen 7 über alle-, was sich hier plötzlich seinen Blicken darbot? Die armselige Baracke von Kretschme war zwar noch auf ihrem alten Fleck, aber sie war unbewohnt. Sie stand auch nicht mehr allein in der einsamen Pußta, sondern ihr o»g,»«ü!״r stand eine große Branrwein׳ brennerri, welche au- zwei Schloten mächtige Rauch- Wolken zum Himmel emporwirbeln ließ. Recht» und link- standen drei massiv gebaute einstöckige Häuser, offenbar für die Arbeiter bestimmt. In der Bkennerri hatte das Geräusch des herankommenden Wayr׳״! Jankel Süßkind an- Fenster gezvgen. (*1 stürzte auf die Sirußc, als er silnrr Lehrers ansichtig wurde, um ihm beim AuSsteigcn behilstich zu sein. Als d:e