26. September 1916.

Israelitisches Familienblatt.

Seite 9. Nr. 39.

I Zwei jüdische

Zllegerleutnant Hermann Zonar.

Hermann Jonas, Beobachtungsoffizier bei der Feld-Luftschifser-Abtsilung 18, Sohn des verstorbenen Kauf­manns Abraham Jonas in Aplerbeck, Kreis Hörde, erhielt am 2. September d. Js. das Eiserne Kreuz erster Klasse. Derselbe trat am 1. Oktober 1913 als Einjährigfreiwilliger bei dem Artillerieregiment Nr. 22 in Münster i. W. ein, am 1. August 1914 rückte er als Unterofsizer ins Feld, wurde Anfang des Jahres 1915 Leutnant und erhielt damals das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Das dritte Bild stellt ihn in seiner Ausrüstung als Fliegerosfizier dar.

Ritter der Eisernen Rreuzes

Leutnant Vr. Otto Rosenthat.

(Text nebenstehend.)

«. ,

erster Masse. , ..

Zllegerleutnant Hermann Zonar im Zlugzeug.

Dr. Otto Rosenthal aus Nürnberg, Leutnant beim bayerischen Ersatz-Feldartillerieregiment, wurde mit dem Eisernen Kreuz erste'- Klasse ausgezeichnet. Er ist der Sohn des früheren Kaufmannes, jetzigen Privatmannes Jakob Rosenthal in Nürnberg, und ist in seinem Zivilberus Diplomingenieur. Er ist als Unteroffizier ins Feld gerückt, wurde mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse im Februar 1915 und im Mai 1916 mit dem bayerischen Militär- Verdienstorden vierter Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Inzwischen wurde er zuerst zum Vizewachtmeister und dann zum Leutnant befördert.

Die Leiden der rumänischen Zuden.

Von Elias Nacht, zurzeit Berlin.

Schon in >der Elementarschule sicht «der junge jüdische Knabe in Rumänien,'ie eine Anzahl seiner Mitschüler am Ouartalsanfaug kein 'Schulgeld ent­richtet, daß nur er und seine jüdischen Freunde klin­gende Münze mitbringen müssen. Das fällt chm aus. In der Pause brüllen chm seine christlichen Mit­schüler m:Schmutziger, schurki sch er Jude!" Diese Beschimpfungen kommen in schneller Ansein»- anderfolge, immer mit Betonung des WortesJude". Wie stehen nun die Lehrer «dem gegenüber? Par­teiisch, muß ich erwidern. Der Jude bekommt nie Recht. Er ist immer der schuldige Teil. Wie oft «muß er seine Beschwerden mit Schlägen und son­stigen Strafen bezahlen!

Zwei von vielen mir bekannten Fällen dürften ein wahres Bild du von geben. Als einige christliche Schiller die -gestellten Fragen nicht beantworteten, ftchr sie der'Professor Puun , Kehrer am Lazar- Lyzenrn zu Bukarest, mit «den Worten an:Seht ihr, die -lausigen Judenbengels lernen «b e s s e r, u l s i h r S ch l a u e n." Un«d ein zweiter charakteristischer Fall ereignete sich im Lyzeum zu Ploesti unweit Bukarest. Dort erlaubte sich der Religionslehrer Theolog G. Chirica, seinen Zu­hörern folgendes zu sagen:D >i e In d e n sangen unser Blut aus, sie sind Banditen, Räuber, Spitzbuben, sie verdienen keinen Tropfen Mitleid unsererseits, und seien sie noch so unglücklich." Das sagen Lehrer ihren «Schülern!

Es sei mir gestattet, hier ein persönliches Erleb­nis ein-zufügen. Ein Verwandter des bekannten Bukarester Mediziners Professor Baberi, mit dem ich -gut bekannt war, erzählte mir, wie sein Onkel, der Professor, ihn dazu gebracht hat, den Juden vom Ch r isten zu unters ch ei d e n. Er mußte fast täglich zum Onkel kommen und ihm mitteilen, wie viele Juden ihm begegnet wären und wie er sie erkannt hätte, und als der Onkel Zweifel -an der Rich­tigkeit seiner Resultate hegte, begann er, ihm eine besondere Theorie vorzntragen:Tu mußt «vor -allen Dingen -auf die krumme Nase -achten," belehrte ihn der ^err Professor.Die krumme Nase zeigt dir gleich den Inden; daun -achte -auf das Barthaar, es ist im Gegensatz zum Kopfhaar rötlich- oder hellbraun. Beachte -auch den Gang und die Bewegungen." Der Neffe, übrigens auch ein vr. med., der an der Berliner -Universität studiert, promoviert und prakti­ziert «h-at, erzählte mir dies, als wäre es etwas Selbst­verständliches.Ich habe mich später nie getäuscht, wenn ich glaubte, einen Juden erkannt zu haben," bekräftigte er dann. ;

Nachdem der jüdische Knäbe vier Jahre in -der Primarschule unter solchen Verhältnissen verbracht hat, bezieht er das-Gymnäsiuni./ Hier begegnen ihm schon Schwierigkeiten bei -der. Aufnahme. Er wird nur «dann -aresgenommen, wenn «die christliche Schnler- z-ahl unter der für Ibie Klasse nach ihrem Rau-mgehalt festgesetzten «bleibt, «das heißt, wenn für Juden noch Platz vorhanden ist. Ist der Schiller mm mit Mühe und Not ausgenommen, so zahlt er hier -das Doppelte wie der christliche Schüler. Erst neulich erhöhte «das Musikkonservatorium die Prüfungstaxe für Juden auf das Doppelte. Diejenigen jüdischen Schüler, die die frühere Taxe entrichtet hatten, «wurden zur Pri'i- fung nicht z-ugelasseu, als hätten sie gar keine Gebühr bezahlt. Die Lehrer sird -ausgesprochene Anti­semiten. Die Prüfuugen find.die wahren Foltern, deinr was «da ein Jude alles wisset! muß, um sie zu bestehen, ist gar Nicht aufzüzählen. Ach, wie oft habe ich mir das Leben verwünscht, als ich in die Prüfung ging!

Hat derGezeichuete" das Glück gehabt, die Schule zu absolvieren, dann steht er erst recht vor einer Legion von Sorgen und Problemen. Was nun? Was kann der Jude in Rumänien n i ch t wer­den? Apotheker, Drogist, Offizier, Lehrer, Beamter, Schutzmann-, Handwerker, Makler auf «dem Markt­platz, ja nicht einmal Straßenkehrer und Lampen­anzünder, denn diese alle sind nationale Berufe. Was da noch übrig bleibt, ist sehr -wenig. Kaufmann cd-er Arzt. Handel ist noch das einzige Feld der Wirksamkeit, d-as dem Juden infolge Mangels an fähigennationalen" Leuten offen steht. Wie lange noch? muß man fragen.

Das Studium bietet an und für sich für den Inden große Schwierigkeiten. Sind -doch die Pro­fessoren die größten Antisemiten und Hetzer. Auch hier in Deutschland find die Namen N. Jorga, A. C. Cu za, der bekannte Plagiator, und mach andere Persönlichkeiten" . ziemlich bekannt. ' Durch ihren Antisemitismus werden sie in ihrer Heimat populä­rer, äks ^durch ihren Professorenberust

Beim Militär wird der Jnde -als ein Feigling betrachtet. - Beschimpfungen, Drohungen, Tätlich­keiten sind an der Tagesm'dnung. Als Rumänien im Jahre 1913 den Feldzug - ich wollte Spaziergang sagen nach Bulgarien unternahm, wurden fort­während «Stimmen laut, die Juden drückten sich vor dem Dienst. Die Zahlen der an der Cholera gestor­benen jüdischen Soldaten versckweigen die Hetzer. Mir liegen Berichte aus der jüdisch-rumänischen Zei­tung,, Iiifratirea" (Berbrüde-rung)' v or, die entsetz­liche Fälle aus jener Zeit wiedergeben.

Verfolgungen wegen R i t n a l m o r d e s finden in Rumänien stets fruchtbaren Boden. Ausweisun­gen ans den Dörfern gehören zu den täglichen Ereig­nissen. Die Befehle kommen blitzschnell und müssen in kurzer Zeit ausgeführt werden. Hab und Gut meiden nicht geschont. Sogar Inden-, -die «d-as Bürger­recht hatten, wurden ausgewiesen. Betrinken sich die «Bauern mit Schnaps, so bringt Herr Professor N. I a g a denBeweis", -daß die Juden den Schnaps er­funden Hätten, -mfb zwar, um die Bauern zu ver­giften. Pogrome gehören znm russischen und rumänischen Antisemitismus.

«So sieht es äl-so in dem Lande aus, d-as, um die unterdrückten" Völker zu «befreien, in den Krieg zieht. Und m«it «diesem Volke hat sich dasfrei- denkende, gleichheitsliebende" Albio-n und Frankreich, das auf feiner -Fahne «die Devise führtliderrch kraternitiö, «verbunden!

Die Juden der Dobrudscha.

In «der D-obrudfcha, welche jetzt so rasch den Rumänen/entrissen wurde, wohnen mehrere tausend Inden. Erst vor drei Jahren sind sie dazu verurteilt worden, rumänischeBürger" zu sein. Man erinnert sich noch daran, wie lebhaft die-Inden v on S ili stri a gegen diesen Wechsel «der Staatszuge- hörigkeit protestiert «haben. Ursprünglich waren es anchdi'e Westmächte, die sich dieses Momentes bedient haben, um die rumänischen Ansprüche abzuweisen. Dies geschah aber nur so lange, als es diesen Mäch­ten in - der: Kram gepaßt hatte,-gegen Rumänien, das noch damals als Anhängsel des Dreibundes galt, auszutreten. Kaum aber hat es Rußland für richtig gefunden, die gesin-nnngsgenäfsifchen Rumänen als feine Freunde 'zu behandeln und ihnen bei ihrem Raubzug behilflich zu sein, da haben auch die Freunde des Zaren in Paris und London rasch einen Frontwechsel vorgenommen und der runränischen Schakalpolitik ihre Zustimmung erteilt. Ohnmächtig -mußten es di-eJnden derDobrudschn -erdulden, wie sie

von der Freiheit in «die Knechtschaft gelangten. Drei, volle Jahre «haben sie vergebens gewartet, daß Rumä­nien sein feierliches Versprechen ein lösen und minde­stens diesen seinen jüdischenUntertanen das B ü r - g-er re ch t verleihen werde. Heute aber sird sie schon wieder frei. Nicht die Einlösun«g «des Versprechens, nicht der Schutz-der Westmächte, sondern das siegreiche Schwert des Vierbundcs hat -ihnen die Freiheit wie­dergegeben. Hoffentlich werden auch ba^-d «die übrigen Juden Rumäniens ein ähnliches Glück er­leben.

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Mische Urlegsmiszellen.

Mazedonische Juden.

Von Herbert Lewandowski-Eassel, zurzeit im Felde.

i Sie wohnen meist nach im «Ghetto. Dies ist zwar nicht räumlich eng begrenzt, aber es ist doch ein Vier­tel für sich. Ueberhaupt scheint es hier bei «den Völ­kern des Balkans so Sitte zu sein, daß sie alle ihr Viertel" für sich haben. In U e s k ü b gibt es -außer dem jüdischen ein türkisches, eineuropäisches" und ein Zigenner-Biertel. Oft ist dasViertel" auch nur eine Straße oder eine Gasse. In Jstip ist es so. Die Judengasse heißt dort Zar-Ferdinandstraße!

Einmal tra-f ich in Uesküb i-m Judenviertel einen Auslaus. Zwei Handelsleute waren sich in die Haare geraten. Sie zankten sich um den Besitz eines Henkel­korbes, sie schrien -ans einander los, sie gestikulierten heftig aber sie schlügen sich nicht.D ie Inden schlagen s ich id o ch n i e , i m h e s t i g st e n Zorn n i ch t," sagte jemand neben mir aus -französisch. Ich nickte. Am Ende kam die Frau des einen und ver­mittelte.

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Ich trat in einen kleinen Laden, um einige An­sichtskarten zu kaufen. Ein alter Jnde von dem pol­nischen Typ, wie ihn Rembr-andt verewigt hat, war der Inhaber, er betrieb nebenbei eine kleine Geld­wechselei. Sein Sohn «hals ihm im Laden. Als ich ein paar Karten ausgesucht hatte, gewahrte ich auf dem Geldkasten des Alten eine Reihe alter türkischer Kupfermünzen von der Größe -eines Zweimarkstückes. Ich bat, mir einige zu verkaufen. Da nahm der Alte die Münzen und ließ sie von einer Hand in die andere gleiten, wieder und immer wieder, und der Sohn machte mir begreiflich, daß sein Vater die Münzen nun kurz gesagt znm Klimpern brauche, um die Leute anzulocken. Wenn ich seitdem -an dem Laden vorbeikornme, höre ich den Alten schon von ferne mit «dem Gel.de klimpern. Manchmal höre ich ihn sogar, wenn ich nicht vorbeikomme.

Je -mehr man in Mazedonien hereinkommt, sieht man, daß auch hier die Juden die Jntelligenzschicht darstellen.Der D üm m st e spr ich t hier d r ei o d e r v i e r S P r ch a e n," sagte mir ein junger Kauf­mann, der einen Laden im jüdischen und einen im -europäischen Viertel in Uesküb hatte.Sie werden aber viele Leute finden, die acht und zehn und mehr Sprachen sprechen;/«hebräisch, französisch, spanisch, türkisch, polnisch, bulgarisch, serbisch, ungarisch und was weiß ich noch." Man kann diese Tatsache nicht damit abtun, «daß man sagt, viele Sprachen hier unten wären verwandt. Mit der Verwandtschaft ist es fo weit nicht her. Es sind wirkliche Sprachgenies, die mazedonischen Juden, zwischen denen sich ein