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| Lord Melchett Vf Langsord \
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Dfityjtrqsißwti Rates der Jewish Agency, der englische Minister und Wirtschaftsführer, Lord Me Ich eit of Langford, früher Sir Alfred Mond, ist, 62 Jahre alt, in London gestorben. ^
Lord Melchetks Tod kommt überraschend. .Er trifft die jüdische Gesamtheit sehr schwer, am schwersten aber die am Palästina-Ausbau interessierte Iudeuheit. die Melchett noch vor wenigen Tagen als ihren allneuen Führer bejubeln durste. Melchett vermindert aber auch die Reihe der weltbederitendeii Juden um eine ihrer ei nfl u ßreich st en und zugleich menschlich interessante st en Gestalten.
Einflußreich wie kaum ein zweiter war der Wirtschaftler Melchett, der Beherrscher, Leiter und Gründer eines der.allergrößten Jndustriekonzerne Euro-
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alle chemischen Fabriken Englands zusammengeschlofien lind. Die Position, die Melchett hier einnahm, war die eines Repräsetitanten der Wirtschaft gegenüber dem Staat, des Kapitals gegenüber der arbeitenden Klasse. So brauchte ihn die Regierung als BerateG und Machtfaktor, so brauchte ihn das öffentliche Leben als einen, der die sozialen Probleme im großen lösen helfen konnte. Parlament und Kabinett haben in ihin seit seinem 38. Lebensjahr «inen Führer utib Kämpfer gekannt, der nicht zu umgeheil war, etwa zehn Jahre lang, seit 1916, gehörte er der Regierung, zuerst der Lloyd Georges, an. Aber ebenso, wie die englische und damit auch die Wellpolitik, so lange er lebte, mit ihm rechnen lnußte, — ebenso ist die internationale Front der Klassen nicht ohne ihn denkbar gewesen. Die an soualen Fragen interessierte Welt kennt in den letzten Jahren kaum ein aufschlußreicheres Archiv als das seiner „Mond-Bericht e", die aus den Besprechungen über wirtschaftliche Tages- srageil zwischen Arbeitern und Industriellen hervorgingen. aus Konferenzen, die in England nur ein Mann wie er mutig genug sein konnte, anzuregen und zu leiten. Sein vor drer Jahren erschienenes Buch „Industry ancl Politics" gar läßt vor unserm Auge einen Wirtschaftsmann als Denker entstehen, dessen Gestalt uns lebhaft an Walther Rathenau erinnert.
Der Jude Melchett allerdings hat mit Rathenau nur sehr entfernte Aehnlichkeit. Er ist Jude „mit ganzem Hetzen, ganzer Seele und ganzem Vermögen". Nicht wie aus Zufall und denkerisch, über den Geist des Judentums philosophierend und der jüdischen Masse fremd, sondern eher draufgängerisch, beinahe provozierend jüdisch. Und merkwürdig: Gerade dies, das betonte Judesein, wird ihm erst zu eigen, wie er sich als Bürger ganz Engländer fühlt.
Vom Vater, einem aufgeklärten, assimilierten deutschen Juden, dem Kasseler Bunsen-Schüler Ludwig Mond, hatte er keine Begriffe vom „konkreten" Judentum ererbt. Der gehörte schon zu jener Generation des vorigen Jahrhunderts, die Jüdischsein mit Gutsein
S chlechthin verwechselte, die nur noch an den Messias »es sozialen Ausgleichs glaubte. Ludwig Mond war einer der ersten englischen Fabrikherren, die Arbeiter ansiedelten, ihnen Kleinaktien und Gewinnbeteiligung zusprachen, — - Alfred Moritz, der Sohn, der/ der Weizmann zu Balfour brachte, der zu jener historischen Zeit im englischen Kabinett saß und nicht locker ließ, ehe die Palästina-Deklaration durchgesetzt war. Mond, der Vater, hat 49 Erfindungen gemacht und sich patentieren lassen, galt in der ganzen Welt als ein hervorragender Chemiker und hat sich doch nicht sicher genug zum öffentlichen Auftreten gefühlt, weil er Jude war und aus ärmliche»! Verhältnissen gekommen. Mond, der Sohn, war im Grunde nur Besitzer einer Riesenfabrik, Großindustrieller, — aber noch vor zwei Monaren hat er dem englischen Volk öffentlich gesagt: Das Palästina-Weißbuch der Regierung ist ein beispielloser Verrat um jüdischen Volk. Wir haben geglaubt. England und seiner Fahne über den heiligen Stätten trauen zu dürfen. Man betrügt uns jetzt, aber England hat sich damit selbst um seinen guten Namen betrogen.
Da liegt vor uns, wenn wir es rückblickend überschauen, der seelische Weg eines Juden unserer E neration. Am Anfang steht der Vater, der eben nach England gekommen ist, als sein Sohn geboren wird.
der sich noch als Deutscher fühlt, dein aber all seine Begabung in der Heimat nichts hat heilen können, weil er als Jude wissenschaftlich und gesellschaftlich boykottiert wurde. Trotzdem aber gibt Ludwig Mond das Vaterland, das ihn verstößt, nicht auf und macht lieber sein Judentum, den Stein des Anstoßes, vergessen. Der Sohn, englisch erzogen, erfährt all das erst später. Er lernt und studiert viel, — nur nicht das Judesein, und er^ erinnert sich dessen erst, als es
— es ist erst wenige Wochen her und doch schon ein Stück jüdischer Geschichte — seinen Posten im Rat der Jewish Agency aus Protest niedergelegt. Cs sit für ihn die Erkenntnis seiner Ohnmacht, seiner jüdischen Ohnmacht gewesen. Plötzlich hat er erfahren, daß man einem Juden in der Seele weh tun kann, auch wenn er Minister und Millionär, Lord und Philosoph ist. Er hat, wenige Wochen vor seinem Tod, jüdisches Leid erlitten, wie es nur den Großen so schmerzhaft bereitet wird.
Er hat das wiedererbaute Jerusalem nicht mehr gel-hen. Aber wenn es einmal steht, dann wird emes der ragendsten Tore seinen, Alfred Moritz Monds, Namen tragen. E. C.
Ein Bild des Dahiugeschiedenen finden unsere Leser unter unserer „Rundschau im Bilde" auf Seite 3 dieser Ausgabe.
Dip Suva,» vov vom Gvvtto |
ffiin Zeichey der Äsfaeb, wird,
eudsn Unruhe, von der unsere ist die häufig wieder kehrende ' ~ ‘ »ufoT
machte und in seinem voie der Umgebuö. geschürten Deutschenhaß rächt sich bitter und schick!'Haft, was 50 Jahre vorher einem deutschen Juden a.getan worden ist. Zu dieser Zeit stirbt der Vater uiü es ist, als ob Moritz Mond erst da ganz Jude sein nnn. Sein Engländertnm. ihm streitig machen zu wtzlen, wäre lächerlich, wenige fühlen heißer für das:Imperium als er, wenige leisten ihm bessere Dienstes Aber er erfährt durch zufäl.ige Begegnungen mit träumerischen russischen Juden, mit verlachten Illusionisten, mit armen abgerissenen Gestalten, — daß es noch höhne Dinge gibt als einen gewonnenen Krieg, ja felbp, als die Handelsinteressen eines Staates. Er glaubt züierkennen, dab nur der Staatskörper Eristenzberechtiglng hat, der freiwillig eine historische Aufgabe, eine Korrektur der Weltgeschichte und des Weltunrechts auf sich nimmt. Er sagt: Als Engländer wünsche ich, daß englisches Blut für ein jüdisches Nationalhein» fließen »nöge. Denn ein paar Tropfen dort können desiMeeren in Frankreich und Rußland einen Sinn geben.
Seither ereignen sich seltsame Dinge ii. Lord Melchett. Er ist ein Draufgänger, und was t sagt, kann er nur mit scharfen Ausdrücken, mit Lnzblut sagen. Er erhitzt sich für Englands historische Wfgabe, für das Heilige Land. Er arbeitet mit Hejbert Samuel zusammen im Komitee für die wirtschaftliche Entwicklung Palästinas, es geht ihm zu langscri, er gründet den Economic Board for Palestjne. enteilet den englischen Keren Hajessod, er wird Präsiden der englischen zionistischen Organisation, er ist fast jedes Jahr in Tel Awiw und Jerusalem, er treibt' an, er möchte das wiedererbaute Land noch mit eignen Augen sehen, er hat aufgebort Zionist, ja Englchder und Jude zu sein, — er r,t nur noai ^n- süchtiger. Damit es rascher geht, gibt er Milli»ien her, investiert sie in landwirtschaftlichen Ilnteruehmln- gen, spendet und spendet. Damit es rascher gm, will er die Zionistische Organisation erweitern »,d leistet die Vorarbeiten zur Gründung der Agenjy.
Damit er dabei bleiben, kontrollieren kann, nimmt Lr das A»nt als Vorsitzender des Council der jewish Agency an.
Zur gleichen Zeit ist er noch der führende kch- servatioe Politiker, der umstrittene Sozialistengegni
der Denker und Fechter, der Leiter eines Weltunte^ _ _ _ __
nehmens. der Parlamentsdebatter und Versammlung^ l Juden gegenüber völlig ablehnend verhielt, und daß' redner. der Rufer im Kainpf gegen Rußlaird, bet I gesellschaftliche Antisemitismus begann, sich sehr füh Baronet und Lord, das lebenslängliche Mitglied dost! ; u machen. Je deutlicher sich rsisie Tendenzen.verstärkten, Oberhauses, der „Disraeli seiner Zeit", der Millionäre ? c mehr sie sich auch in den allgemeinen. Vereinen und
und Engländer. Aber all das tritt in den Hinter? ~ " ri: -^ VJ '*
grund. Zuerst und vor allenr ist der Großindustrielle ein Träumer, ein Traumsiedler geworden.
Das letzte Weißbuch hat ihn aus seinen Träumen gerissen. Er ist vor Schmerz wsid geworden. Er hat geschrien, wie nur ein verwundeter Riese schreien kann.
Er hat den Mut gehabt als Engländer, die englische Regierung rückhaltlos, ja formlos anzugreifen, weil sie die Juden von Whitechapel betrogen hat. Er hat
Generation beherrscht w Mahnung aus unseren eigenen Reihen,' wir Juden sollten uns unserer Umgebung gegenüber nickt abschließen und abkapseln, sondern stärkeren Kontakt mit ihr zu gewinnen suchen. Viele unter uns sind von der Furcht besessen, die allzu starke Betonung des Jüdischen könne zu einer neuen geistigen Ghettobildung führen. Vielfach ist auch die Auffassung verbreitet, daß der Antisemitismus sich weniger bedrohlich äußern würde, wenn die nichtjüdische Umwelt unser Wesen besser erkennen würde, wenn der persönliche Verkehr zwischen Juden und Nichtiuden den letzteren eine bessere Vorstellung von der Struktur des jüdischen Menschen geben würde. Als ein Element, das die Ghetto- bildukig unterstützt, wird der Zusammenschluß von Juden in besonderen jüdischen Vereinen und Organisationen angesehen, und nicht selten wird in jüdischen Kreisen die Meinung geäußert, daß die Bildung derartiger iiid,n, Vereine und Vereinigungen geeignet sei s -- der nichtjüdischen Umwelt zu beschr auf den Verkehr mit den Angehöri meinschaft allzu stark festzulegen.
Gegenüber solchen Auffaffungen sein, zu untersuchen, wie weit diese B..^.u^rungen richtig sind und, wenn sie zutreffen, wie weit wir Juden selbst an der Entstehung besonderer jüdischer Vereine für alle Zwecke des Lebens die Schuld tragen. Wir willen alle, daß in der liberalen Epoche des vorigen Jahrhunderts, in einer Zeit, in der die Judengegnerschaft sehr gering war, die Juden nicht verfehlten, entsprechend ihrer Stellung im Leben und gemäß ihrer bürgerlichen Position an allen Aufgaben der Allgeineinheit mitzuwirken. In fast allen Berufsvereinigungen, in allen politische»-, und sozialen Vereinen, waren Juden als Mitglieder vertreten, und viele entwickelten dort eine arbeitsreiche Tätigkeit zum Nutzen der Allgemeinheit. Die verhältnismäßig kurze hochliberale Periode wurde dann schon im vorigen Jahrhundert und zu Beginn dieses Jahrhunderts von antisemitischen Strömungen der verschiedensten Arten abgelöst. Zuerst die Stöckerbewegung und dann der Antisemitismus Pücklerfcher und Ahlwardtscher Observanz lösten auf nichtjüdischer Seite Gegenbewegungen aus, die zunächst auch zu einer unfreundlichen Behandlung der Juden in den verschiedensten Organisationen führten. Wir erinnern daran, daß schon zu jener Zeit oder etwas später der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband stch
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Die vorliegende, am Dienstag, den 30. Dezember, abgeschlossene Dummer enthält »6 Seiten, die acht- seitige Beilage „ jüdische Bibliothek der Unter Haltung und ves und die achtseitige illustrierte
Beilage »Dus «tter und neuer Zeit".
Vereinigungen abzeichnet"n, desto schwlerrger wurde die .Lage für d»e jüdischen Mitglieder dieser Gruppen. S,e i standen vor der Frage, entweder dauernde Verletzungen ^hrer Selbstachtung hinzunehmen oder sich von der Mitarbeit zurückzuziehen.' - >
Man hätte damals den Juden melleicht den Rat geben rinnen, sich durch die Angriffe nicht beirren zu lasten, aus- Marren und abzuwarten, ob es ihnen nicht gelingen irde, gerade durch ihr Verbleiben die zunächst gesell- ^iuftlrch-aütisemitischen Tendenzen zum Abflauen zu bchigen. Ohne daß freilich dieser Rat ausdrücklich erteilt wchde, handelte eine erhebliche Zahl von Juden nach ihm. während andere anfingen^sich zurückzuziehen und den Lauf der Dinae abzuwarten. Man kann nicht sagen, daß denen, die \n den Vereinen und Vereinigungen verblieben, das Leber, leicht gemacht wurde oder gar, daß es ihnen ge- lang, Erfolge zu e^rielen. Mochten sie noch so bescheiden
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