Nr. 20
MB — JANUAR 1987
Seite 3
Rom und Jerusalem - Kardinal und Präsident
Es ist müssig, Spekulationen darüber anzustellen, welche Politik der Vatikan in der Jerusalem- und Palä- strnenserfrage eingeschlagen hätte, würde ein Mann von der Statur Kardinal O’Connors auf dem Stuhl Petri in Rom sitzen. Wir können auch nicht den gegenwärtigen Papst Johannes Paul II. für die intransigent-negative Haltung zu Israel, d.h. zum Staat Israel, allein verantwortlich machen ; denn wie jeder Papst ist auch er eine Art Gefangener seiner Kurie, muss auf die konservativen Kirchenkreise und die durchgängig anti-israelische Einstellung der katholischen Bischöfe in der sogenanten Dritten Welt Rücksicht nehmen und kann sich jeweils nur so weit vorwagen mit Neuerungen und politischem Umdenken, wie er in seiner engsten Umgebung Rückhalt und Unterstützung findet.
Das hatte natürlich auch ein Mann wie O’Connor zu bedenken, obwohl man sich nach seinem eigenmächtig scheinenden Vorgehen in Jerusalem durchaus vorstellen kann, wie er gern andere Akzente für die Vatikan-Politik setzt. Er ist eben Amerikaner irischer Abstammung, und wirkt! Kaum denkbar, dass etwa ein römischer Kurienkardinal entgegen den päpstlichen Anordnungen über Vermeidung'der- Kbntaktäufnahme mit den israelischen Zentralbehörden in Jerusalem dem israelischen Staatspräsidenten einen Besuch abgestattet hätte. An der Tatsache selbst wird jetzt herumgedeuteit und sie zu bagatellisieren versucht: der Kardinal sei sozusagen nur über einen Nebenaufgang zum Präsidenten geleitet worden, er sei nicht m seiner Amtsrobe, sondern in Zivil erschienen, und das Gespräch habe keinen Verhandlungscharakter getragen.
AH: das gehört zum Protokoll und »st ohne Frage gerade in den Beziehungen zum Vatikan wichtig. Doch können alle Bagatellisierungs- versucbe, die von kirchlicher Seite unternommen werden, um die „Eigenmächtigkeit” O’Connors zu verharmlosen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier ein Kirchenfürst als Mann gezeigt hat, der zwar nicht offiziell gegen die vatikanische Politik agitiert, der aber auf die israelischen Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen weisa, und der sich offenbar zu Herzen genommen hat, was Staatspräsident Herzog in seiner Neujahrsansprache beim Empfang der akkreditierten Kirchenoberhäupter erklärte: sogenannte Friedensmis* sronare sollten sich nicht länger von überholten Vorstellungen und Erwägungen leiten lassen, sondern d're Wirklichkeit sehen, wie sie ist.
Ohne O’Connor zu erwähnen, wusste jedermann, auf wen diese Bemerkung gemünzt war. Es war ein Appell an die praktische Vernunft, die normative Kraft des Faktischen zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln.
Man halte den Vatikan nicht für so fanatisch, blind und verstockt, dass er das nicht auch wüsste. Sein offizieller Sprecher Joachim Navar- ro erklärte der italienischen Nachrichtenagentur „Ansa” — und dies kann durchaus als Einfenken gewertet werden : in Frage stehe nicht die Souveränität Israels, sondern der Status Jerusalems sowie das Problem der besetzten Gebiete und der Palästinenser-Identität. Die Höflichkeitsgesten O’Connors, auch sein Besuch bei Vizepremier Schimon Peres, berühren diese Frage nicht, sondern seien in anderem Gesamtzusammenhang zu lösen.
Das heisst gute Miene zu einem — von Rom aus gesehen — gefährlichen Spiel machen ! Wie die Betroffenheit O’Connors bei seinem Jad-Waschem-Besuch bei der Kirchenleitung gewirkt hat, ob man überhaupt damit rechnete, dass er an der Westmauer zusammen mit seinem. engsten Stabe beten würde, und wie er sich über die vom lateinischen Patriarchat in Jerusalem getroffenen Vorkehrungen und Programmpunkte hinwegsetzte, — darüber kann man nur Mutmassun- gen anstellen. De r jetzige Hinweis des Vatikansprechers auf Präzedenzfälle von Kontakten mit der israelischen Staatsführung geht an der Hauptsache vorbei: 1964 hat Paul VI. auf seiner Reise durch das Heilige Land nicht den damaligen Staatspräsidenten Schasar empfangen, sondern er wurde von Schasar samt Regierung im eigens für diesen Zweck errichteten Pavillon am eigens dafür installierten Grenzübergang bei Megiddo be- grüsst ; und die beiden israelischen Regierungschefs, die von Päpsten in Audienz empfangen wurden — Golda Meir von Paul VI., Schimon Peres von Johannes Paul M. — waren zwar Repräsentanten Israels, aber nicht Staatsoberhäupter. Bei der vorerwähnten Rundreise Paul VI. im Heiligen Land (er war In Jordanien und in Israel) wurde ein diplomatischer Eiertanz aufgeführt, um arabische Empfindlichkeiten zu schonen, und um nur ja nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, der Papst erkenne Jerusalem als Hauptstadt Israels an ; darum sandte er damals auch sein Danktelegramm für die gewährte Gastfreundschaft „An die jüdischen Autoritäten in Tel-Aviv" ! Und er brachte es nicht über sich, Jad Waschern in sein Besuchsprogramm einzubeziehen, sondern delegierte seinen ihn begleitenden Kuriertkardinal Tisserant
zur Gedenkstätte, um dort einen Kranz niederzulegen — eine leere Geste, deren fauler Kompromisscharakter zum Himmel schrie.
Das gehört heute der Geschichte an, aber es ist leider auch durch O'Connors vermutlich echte tiefe Ergriffenheit und Betroffenheit an den jüdischen Gedenkstätten nicht aus der Welt geschafft. Der Vatikan besteht weiterhin auf international garantiertem Sonderstatus und Sonderstatut für Jerusalem, wie es ein Kirchenvertreter im Februar 1984 vor dem Aussenpolitischen Ausschuss des US-Senats formulierte : Aus diesem Forderungskatalog ergibt sich, dass die Sicherung freien Zugangs zu den Heiligen Stätten aller drei monotheistischen Religionen dem Vatikan nicht — oder nicht mehr — genügt, sondern dass alle drei „gleich behandelt" werden müssten und nicht nu r die Gewähr für ungehinderte Glaubenslehre erhalten, sondern auch für ihr Schulwesen und ihre sozialen Institutionen, und das alles — wie angedeutet — unter Schirm und Schutz einer internationalen Aufsichtsbehörde, über deren Zusammensetzung und Befugnisse sich der Vatikan vorerst allerdings noch in Schweigen hüllt.
Was folgt für uns daraus ? Erstens, dass auch Männer guten Willens wie O’Connor weiterhin auf eine Mauer von Unwillen und Widerwillen im Vatikan stossen, der sich nicht damit abfinden kann, dass es jüdische bzw.israelische Instanzen sind, die in ganz Jerusalem das
Sagen haben; dass die Heilige Stadt zur Gänze als israelische Hauptstadt deklariert und de facto behandelt wird, und dass sich die katholische Kirche (aber auch die protestantischen Gemeinschaften ?] unter moslemischer Oberherrschaft offenbar wohler fühlen als unter jüdischer. Es folgt aus den vatikanischen Auslassungen zweitens, dass man dort immer stärker den Unterschied zwischen den Juden als Volk der Zerstreuung und den Israelis als Gemeinschaft im Sammelpunkt der Zerstreuten herauskehrt. Der Papst zum ersten Mal in der Synagoge in Rom — das sollte ein Zeichen setzen für den Wandel in der Einstellung der Kirche zu den Juden, zu denen er als Bischof von Rom gewissermas- sen historisch begründbare Kontakte hat. Wir wollen die Geschichte dieser Beziehungen lieber nicht auf- rollen ! Wir akzeptieren mit Befriedigung, dass Johannes Paul II. bei seinem gemeinsamen „Auftritt” mit dem Oberrabbiner von Rom tatsächlich ein Zeichen setzte. Aber von Rom nach Jerusalem ist der Weg für den Papst weiter als von Rom nach Caracas etwa oder nach Singapore und Manila.
Wir können warten. Einmal hatte ja auch die Sintflut ein Ende. Es wird vielleicht noch mehr „Erkundungsflüge” von der Art O’Connors geben. Das würden wir begrüssen ; aber die Taube mit dem Ölzweig war auch er noch nicht.
G.J.
Die Macht der Gewohnheit
Viele Jahre war Frau Erna Freund für das Solidaritätswerk mit Spendensammlung erfolgreich beschäftigt. Vor einiger Zeit hat Sie sich in einem unserer Elternheime zur wohlverdienten Ruhe gesetzt.
Jetzt, kurz nach Rosch Haschana und vor Chanukka, fehlten ihr mehr als je zuvor die fieberhafte Tätigkeit des Spendensammelns, des Abrechnens und die glücklichen Gesichter derer, die Sonderzuwendungen zu den Feiertagen von unserem Hilfswerk bekommen. Nach einigem Überlegen hatte Frau Freund eine Idee. Sie studierte kritisch den Inhalt ihres nicht gerade groossen Bankkontos und beschloss, NS 7000.— dem Solidaritätswerk zu überweisen.
Jetzt ist ihr wohler, und wir sind etwas verlegen, weil uns die richtigen Worte fehlen, ihr gebührend zu danken, denn es ist ein Unterschied, WER uns NS 7000 spendet...
O.B.
Wir kaufen DEUTSCHE BÜCHER
Antiquariat M. POLLAK
Mitglied des Verbandes Deutscher Antiquare e.V. Tel Aviv, 36 King George Str., Tel. 288613 Wir zahlen IMMER die höchsten DM-PREISE BAR für :
Deutsche Literatur — Illustrierte Bücher — Alte Drucke (15. — 17.Jahrh.) — Kunst — Archäologie — Architektur — Expressionismus — Geschichte d. Technik u. Medizin — Politik u. Sozialismus — Kinderbücher — Judalca — Pressendrucke — Handschriften und Autographen.
