bestehen. Es sei daher gestattet, hier auf andere Möglichkeiten hinzuweisen. U. E. hätten zunächst die einleitenden, allgemeinen Kapitel nicht losgelöst von der eigentlichen Darstellung hingestellt werden dürfen, sondern innerhalb der Darstellung hätte das rechts- und kulturgeschichtlich Wichtige hervorgehoben werden müssen. Das erst hätte den Sinn der einzelnen Tatsache herausgestellt und zugleich die grundsätzlichen Darlegungen belebt. „Für die Zeit des Mittelalters mehr Gesamtbilder" als Einzelbilder zu geben — so beschreibt das Vorwort sein Verfahren — war u. E. kein glücklicher Gedanke. Zudem fehlt es gerade an Einzelbildern zur mittelalterlichen Geschichte der badischen Juden, während an „Gesamtbildern" kein Mangel ist.
Diese Neigung des Verfassers zum Gesamtbild ist wohl schuld daran, daß manche wichtige Einzelheit nicht richtig zur Geltung gekommen ist. Eine Tatsache von solcher Bedeutung wie die Vertreibung der Juden durch den Pfalzgrafen Ottheinrich hätte in dem entsprechenden Abschnitt (S. 64) erwähnt werden müssen. Der Rabbi Süßlin von Würzburg ist nicht von „Kaiser" Ruprecht in Bann (= Reichsacht) getan worden; so kann man, ohne mißverständlich zu sein, den Inhalt der (bei Stern, Ruprecht Nr. 54 gedruckten) Urkunde nicht ausdrücken. Ebenso mißverständlich ist die Angabe, K. Friedrich III. habe in dem Endinger Ritualmordprozeß „das Verfahren der Endinger" mißbilligt (S. 15). Die Mißbilligung richtete sich in Wahrheit gegen die Landesherrschaft. Bedenklicher ist die Behauptung, daß im 14. Jahrhundert die Juden in Bruchsal und Speyer „Bürgerrecht" gehabt hätten (S. 133). Solche Auffassungen finden sich in der Literatur öfter, z. B. auch bei Kracauer, Geschichte der Frankfurter Juden. Von Knapp („Alt- Regensburgs Gerichtsverfassung", Berlin 1914, S. 194) wird eine vermeintliche Bürgerrechtsverleihung an einen Juden im Jahre 1230 als eine „Ausnahme" bezeichnet. Diese Auffassung beruht auf einer völligen Verkennung der Rechtsverhältnisse. Denn Stadtbürger konnte nur ein Freier sein; die Juden waren aber von Geburt unabänderlich unfrei, und wenn bis an die Grenze der Gotik die mittelalterlichen Rechtsverhältnisse in statu nascendi
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waren und dem Bestreben der Wissenschaft, zu allgemeinen Begriffen zu gelangen, Schwierigkeiten bereiten, so war das doch gerade hierbei nicht der Fall. Wenn nun trotzdem die Juden vielfach als „Bürger" bezeichnet wurden, so darf dieser Terminus nicht unsere ganze Kenntnis von der „Kammerknechtschaft" und der rechtlichen Sonderstellung der Juden über den Haufen werfen. Sehr deutlich, und zweifellos richtig, erklärte schon Stobbe (J. in Deutschland S.38). „Die Juden besaßen nicht das Bürgerrecht", und nicht einmal eine Aufnahme „pro veris burgensi- bus" läßt er als wirkliche Bürgeraufnahme gelten (S. 213). In strenger gefaßten Rechtsurkunden ist allerdings zwischen Bürgern und anderen Einwohnern häufig unterschieden; man darf sich dadurch aber nicht verführen lassen, schon zu einer Zeit, da es noch keine entwickelte deutsche Rechtssprache gab, in der Bezeichnung „Bürger" stets den staatsrechtlichen Begriff zu suchen.
In vielen Fällen mag der Ausdruck „Bürger" für die Juden lediglich gleichbedeutend mit „Inwohner" gebraucht worden sein. Man könnte aber auch daran denken, daß der Ausdruck elliptisch den Bürger der Juden- gasse („Judenbürger") bezeichnen soll; bei der traditionellen und sehr weitreichenden Autonomie der „Juden s t a d t" wäre das sehr wohl möglich. Die Ellipse könnte nicht Wunder nehmen, denn daß die Juden keine Stadtbürger sein konnten, war dem deutschen Spätmittelalter ganz selbstverständlich. Sicher ist dies der Sinn des Wortes „Bürger", wenn z. B. 1518 die Stadt Regensburg in Parallele miteinander stellt Juden, die nach R. zuziehen und Geleit zahlen müssen, solange sie „nit bürg er worden", und den zuziehenden Christen, der auch „burger werden mueß", d. h. zahlen muß. Es kann sich bei dieser von einem Juristen gemachten Prozeßerklärung nicht um eine sorglose Ausdrucksweise handeln, noch weniger aber darum, daß den Juden das Stadt bürgerrecht in Aussicht gestellt gewesen wäre, — die Stadt bemühte sich damals lebhaft um die Vertreibung der Juden! Die Stadt stellt also den christlichen Stadtbür- ger dem jüdischen Bürger der Juden-
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