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Wir können aber hier auf die Begründungen der Anschauungen der beiden Hauptrichtungen auf dem Kongresse, wie sie Verf. darlegt, nicht eingehen. Uns interessiert das Buch insofern, als es das Problem der Kolonisation berührt, und es muss von vornherein gesagt werden, dass Verf. die diesbezüglichen Fragen wiederholt und eingehend behandelt. Er ist zweifelsohne einer der wenigen Zionisten, die die Kolonisationsfrage bei anderen Völkern und in verschiedenen Ländern genauer studiert haben.
Im ersten Kapitel beschäftigt sich Tschlenoff mit der Frage von El-Arisch. Soviel man aus den spärlichen Literaturquellen diesbezügliches Material zusammentragen konnte, hat es Verf. getan, und es ist nicht seine Schuld, wenn trotzdem seine Angaben nicht genau stimmen. Im 3. Kapitel sind seine Schilderungen der Vorzüge Palästinas als jüdisches Kolonisationsgebiet durchaus zutreffend. Besonders interessant sind aber die Mitteilungen, die Verf. im 4. Kapitel über die Kolonisationsgeschichte von Australien, Neu-Zeeland, Südafrika usw. macht. Er untersucht genauer die Ursachen der Misserfolge oder des langsamen Foit- schritts der europäischen kolonialen Unternehmungen und gelangt zum Schluss, dass der momentanen Not des jüdischen Volkes nicht durch die Besiedelung eines neuen, unkultivierten Landes abgeholfen werden könne, wenn auch die Eignung des betreffenden Landes hierfür ausser Zweifel stünde. Verf. äussert sich im übrigen ganz im Sinne des von uns in dieser Zeitschrift verschiedentlich empfohlenen Programms einer systematischen Erschliessungsaibeit in Palästina.
Uas Buch kann jedem Zionisten zu genauem Studium empfohlen werden, und wir bedauern, dass es nicht in einer den westeuropäischen Zionisten zugänglichen Sprache geschrieben wurde. Seine Uebersetzung ins Deutsche würde sich empfehlen. Soskin.
VERMISCHTES.
Die Wiedererschliessung von Mesopotamien.
Dem „Hamburgischen Korrespondent" vom 24. 6. 05 entnehmen wir folgende Ausführungen über diese überaus wichtige Angelegenheit:
„Aus Konstantinopel kommt die kurze, aber auch im Hinblick auf die englische Opposition zum Bagdadbahnprojekt hochbedeutsame Meldung, dass Sir William Willcocks dem Sultan mit Unterstützung der englischen Botschaft einen umfangreichen Plan zur Bewässerung der Vilajets Bagdad und Bassra unterbreitet habe. Die Meldung besagt nichts mehr und nichts weniger, als dass die Engländer im Begriff stehen, das grosse Werk der Neuanlage von Bewässerungskanälen am Euphrat und Tigris zu beginnen und hiermit die kolonisatorische Arbeit in jenen Ländern aufzunehmen! Während wir eine „Forschungskommission u nach der anderen — zuletzt noch im Frühjahr dieses Jahres — nach Mesopotamien entsandt haben, ohne zu praktischer Arbeit überzugehen, haben englische Wasserbautechniker die Vorarbeiten vollendet, die . es ihnen ermöglichten, dem Sultan jetzt ein fertiges Projekt für die Neuschaffung der Kanalbauten in den Kulturgebieten bei Bagdad und Bassra vorzulegen.
Leider hat es nun den Anschein, als sollten uns auch in Mesopotamien die Engländer mit ihrer rastlosen, zielbewussten Tatkraft zuvorkommen. Was hilft es nun schliesslich, wenn wir unser gutes Geld für den Ausbau der Bagdad-