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bahn hergeben, dann aber ruhig zusehen, wie andere den Nutzen aus dem Lande ziehen, für dessen Erschliessung wir Millionen ausgegeben haben! Man glaube ja nicht, dass England es etwa nicht ernst nähme mit den Kanalisationsprojekten in Mesopotamien. Nicht ohne Grund unterstützt der englische Botschafter in Kon­stantinopel seinen Landsmann Sir William Willcocks bei seinem Unter­nehmen.

In Aegypten hat England erfahren, welchen Nutzen grosse Bewässerungs­anlagen einem Lande bringen, dessen Bodenkultur von der künstlichen Bewässerung des Ackers abhängig ist. Die ägyptische Regierung unter englischer Leitung plant jetzt eine Regulierung des ganzen Flusssystems des Nilbassins, die neben weiteren Kanalisationsarbeiten einen Aufwand von etwa 50 Millionen Kronen beanspruchen wird; man hat aber zugleich berechnet, dass diese umfang­reichen Arbeiten einen Steuerzuwachs von jährlich 44 Millionen zur Folge haben werden. Kühn und grosszügig wie in Aegypten sind auch die Pläne der Eng­länder in Mesopotamien. Willcocks hat die Kosten der Kanalbauten im Norden von Bagdad östlich vom Tigris auf etwa 8 000 000 £ geschätzt. Die Wiederher­stellung eines leistungsfähigen Kanalsystems im Süden von Bagdad zwischen Euphrat und Tigris würde nach seiner Berechnung etwa 13 000 000 £ bean­spruchen. Trotz dieser hohen Ausgaben rechnet aber Willcocks, auf Grund der in Aegypten gesammelten Erfahrungen, auf eine ausreichende Verzinsung und Amortisation des Kapitals.

Das Land, das mit Milch und Honig fliesst.

DerZeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins" entnehmen wir die nachfolgende Interpretation des allgemein üblichen Ausdrucks von Prof. Dalman, die unsere Leser gewiss interessieren dürfte.

Ueber diese Formel ist schon öfters verhandelt worden, u. a. von Nestle Mitteilungen und Nachrichten des Deutschen Palästina-Vereins", 1902, 42 ff. Ein Palästiner wundert sich über den Ausdruck besonders deshalb, weil es hier an Grünfutter für das Vieh und an Blüten für die Bienen so sehr fehlt, Nach unseren deutschen Begriffen ist Palästina an Milch und Honig nicht reich, sondern besonders arm. In den fünf regenlosen Monaten verdorrt alles Grün, das nicht durch einen Wasserlauf am Leben erhalten wird. Selbst im Frühling würde man vergeblich nach einer echten üppigen Wiese Deutsch­lands suchen. Ganz blütenlos ist zwar der lange Sommer nicht, aber Disteln und Thymiane bilden keine zusammenhängenden Teppiche. Beduinengleich zieht unser Imker, Herr Bal<densperger, mit seinen Bienen durch das Land, um bald hier, bald da ihnen Futterplätze zu finden. Infolge der nicht starken Nach­frage nach Honig ist der Preis dafür kein zu hoher, etwa 96112 Pfg. für das Kilo. Da Palästina eher ein Rebenland ist als ein Bienenland, hat man der Schwierigkeit dadurch abhelfen wollen, dass man für den Honig die aus Most bereitete Traubenmelasse (arab. dibs) einsetzte 1 ). Aber es ist nachweisbar, dass im alten Palästina ihre Herstellung nicht üblich gewesen ist. Somit ist diese Aushilfe unerlaubt. Und wollte man sich trotzdem mit ihr begnügen, so bleibt man doch bei der Milch rettungslos in Verlegenheit. Palästina ist kein Milch-

*) So z. B. Buhl im Hebr. Wörterbuch.