ALTNEULAND
MONATSSCHRIFT
für die wirtschaftliche-Erschliessung Palästinas Organ der zionistischen Kommission zur Erforschung Palästinas
HERAUSGEGEBEN VON
F. OPPENHEIMER • S. SOSKIN • O. WARBURG.
No. 6. Berlin, Juni 1906. 3. Jahrg.
DIE ISLAMITISCHEN GERICHTE UND DIE TUERKISCHE GERICHTSVERFASSUNG.*)
Von Referendar Bruno Tannenwald, Hamburg.
I. Einleitung. .
Die Grundlage der islamitischen Gerichtsverfassung ist auf den Propheten zurückzuführen; er übte in Medina die richterliche Gewalt selbst aus und liess sich nur ausnahmsweise darin vertreten. Geurteill wurde nach den Gesetzen Abrahams und Moses', zu denen Mohammed Ergänzungen schuf. Seine Urteile haben allgemein verbindliche Kraft und bilden einen Teil des mohammedanischen Gesetzes.
Grundlage der mohammedanischen Gesetzgebung war von jeher das Wort Gottes (Koran) und die Lehre des Propheten (Sunnet), die man als Urquellen des mohammedanischen Rechts bezeichnen kann. Ausserdem gibt es als Rechtsquellen noch die Gesetzesanalogie und die Entscheidung einer Versammlung von Rechtsgelehrten.
Als sich die Omejjaden der Herrschaft bemächtigten, trat eine Aenderung der Gerichtsverfassung ein, indem zu dem Gerichte des Propheten noch andere Gerichte hinzutraten. Unter dem KhalifenAbu D schafer-el-Mansur wurde die gesetzgeberische Funktion der Gerichte von der richterlichen getrennt. Von da bis in neuere Zeit hat sich die mohammedanische Gerichts-
*) ^Nach dem Aufsatze von Sa was Pascha, ehemaligem türkischen Staatsminister, in dem von Prof. Dr. Franz von Liszt im Auftrage der internationalen kriminalistischen Vereinigung herausgegebenen Sammelwerke „Die Strafgesetzgebung der Gegenwart", Bd. 1. Berlin 1894. S. 693 ff.