Bcrttaultchc Beilage der K. L.-Blättcr

Mur für K.K.sr.

Oktober - November - Dezember 1922.

Zur Notlage des R.C.

Bon Dr. Hermann Berlak (Spr., Frib.-Ähib.).

Jil den letzten Jahren und besonders in der letzten Zeit ist immer wieder die Frage aufgetancht, ob es richtig war, nach dem Kriege zu Neugründungen zu schreiten und ob nicht wesentlich oder allein hierdurch die Mißstände entstanden fiub, die wir heute in unserem Verband empfinden. Diese Frage prüfen heißt, zu den Mißständen kritisch Stellung zu nehmen.

Es ist eine .Reihe von Verbilldungen gegründet worden an Plätzen, an denen die Ausbreitung unseres Gedankens in unserem eigenen Interesse dringend erwünscht war. Die Ursachen hierfür liegen in vielerlei Faktoren begründet. Die Kriegs- und Nachkriegs­folgen haben die jungen Akademiker gezwungen, mög­lichst in der Nähe ihrer Heimat zu studieren und die Konzentration an einzelnen Universitäten, die in dieser oder jener Gegend besonders beliebt lvaren, wurde durch den eisernen Zwang der Tatsachen weitgehend aufgehoben. Dazu kam, daß die Kriegseinflüsse wachsen­den Teilen der Akademikerschaft gelehrt haben, daß unser Prinzip, sowohl in ideeller Hinsicht, als auch in materieller Kampfeswerse die einzige Möglichkeit der Bekämpfung unserer Gegner an allen Hochschulen bot. Schließlich war es auch die ständige Ausbreitung der zionistischen Verbindungen und deren fortschreitende Radikalisierung, die ja auch von Kartellbruder Block auf dem K. C.-Tag 1921 anerkannt und bedauert worden ist, die es irn Interesse der Gesamtheit er­forderlich niachte, überall für die Vertretung unserer Ideen Sorge zu tragen.

Wenn im übrigen gesagt worden ist, daß diese Ausbreitung unseres Verbandes eine ausgesprochene Nachkriegserscheinung ist. weil man vor dem Kriege in einem gewissermaßen saturierten Verbände gelebt hat, so ist dies unzutreffend. Die Frage, ob und in­wieweit unser Verband auszudehnen ist, ist auch vor dem Kriege niemals völlig verstummt. Ich erinnere daran, daß in Leipzig und Königsberg die Ver­bindungen auch erst kurze Zeit vor dem Kriege ent­standen sind und daß Frankfurt seine Verbindung ebenfalls auf das letzte Borkriegssemester zurück­führen kann.

Es soll nicht bestritten werden, daß in diesem Gründungseifer viele unserer Freunde sehr weit ge­gangen sind, daß Verbindungen gegründet wurden, deren dauernde Lebensfähigkeit nicht gesichert war und sein konnte. Aber es ist müßig, sich darüber streiten, ob es richtig -war, auch an jenen Plätzen wert­volle Kräfte heranzuziehen. wenn die Verbindungen auf die Dauer nicht haltbar waren, oder ob es besser gewesen wäre, nur solche Verbindungen zu gründen, deren Existenzmöglichkeit nicht auf dem über­mäßigen Universitätsbesuch der ersten zwei Nachkriegs­jahre ruhte. Fest steht eins. An diesen Plätzen ist gerade in den verflossenen Jahren, und das ist keine Übertreibung, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, in Erziehung, Abwehr und Aufklärung mehr ge­leistet worden als in zahlreichen alten Korporationen. Wenn die Fühlung zwischen den Verbindungen nicht

mehr die alte enge geblieben ist, liegt dies wesent­lich mehr an der Erschwerung der Reisen überhaupt als an der Zahl der Verbindungen.

. Seit jener Gründerepoche sind die Verhältnisse anders geworden und nur in der Erkenntnis dieser Veränderungen können wir die Lösung der Schwierig­keiten finden. Die wirtschaftlichen Folgen der poli­tischen Ereignisse innen- und außenpolitischer Art wirken sich in stetig beängstigend wachsendem Umfang auch in unseren Reihen ans. Der Andrang zum Universitätsbesuch ist durch eine Flucht aus zahl­reichen Studienzweigeil abgelöst worden. Die ma­terielle Grillidlage des Studiums ist grundlegend ver­ändert ivorden. Während früher die überwiegende

f ahl der Studenten von elterlichen Zuschüssen ihren ebensunterhalt und ihr Studium bezahlen konnten und allenfalls dikrch Nachhilfestunden sich die Möglich­keiten hierzu schaffen mußten und konnten, zeigt sich auch in unserem Nachwuchs eine erschreckende Ver­armung. Die Möglichkeit des Nachhilfeunterrichts ist beschränkt und geht immer niehr zurück, je mehr Studenten auf diese Erwerbsmittel angewiesen sind. Der Ertrag kann auch nicht mehr ausreichen bei der ungenügenden Bezahlung und den immer größeren Be­trägen, die der einzelne braucht. Die Folge ist das Werkstudententunl mit allen seinen Vorzügen und Schattenseiten.

Es hieße Vogel-Strauß-Politik treiben, wenn man sich diesen Tatsachen verschließt. Einmal können die Universitäten, die als teuer bekannt sind und die von dem Heimatsort der Studenten entfernt liegen, von ihnen nicht mehr besucht werden. Der Werkstudent ist aur die Großstädte angewiesen, in denen die Möglich­keit des Nebenerwerbs eine weitergehende ist als in den kleinen Städten, wo das gesamte wirtschaftliche und politische Leben auf der Studentenschaft ruht. Er ist gezwungen in den freien Stunden, die die Arbeit laßt, sich seinem Studium zu widmen, und den Ver­gnügungen, soweit als irgend möglich fernzubleiben. Bummel-Semester gibt es nicht inehr. Es wird un­verhältnismäßig mehr als früher schon in den ersten Semestern gearbeitet. Die Folge davon ist, daß der Kreis derer, der zu uns kommt, ein immer kleinerer wird, und, gestehen wir es uns offen, auch bereits ge­worden ist, daß wir mehr und mehr in den letzten Jahren nur noch diejenigen zu uns gezogen haben, die- unter diesen Verhältnissen nicht im vollen Umfange leiden, es sei denn, daß persönliche Beziehungen sie zu uns rufen und daß viele der unseren nur mit größten Entbehrungen ihren Verpflichtungen Nachkommen können.

Unser Kreis ist aber nicht nur zahlenmäßig enger geworden sondern auch qualitativ. Gerade jene sind es gewesen, die in den vergangenen Jahrzehnten unseren Verband groß gemacht haben, die es ge­lernt hatten, schon früh den Kampf ums Leben zu führen. Wer ist zu unserem Kampf geeigneter ms der, der nicht nur unter all diesen äußerlichen Widerwärtigkeiten leidet, die die politischen Auswüchse j des völkischen Gedankens der Nachkriegszeit hervorge- ! rufen haben, der auch durch seiner Hände Arbeit sich erst die Möglichkeit schaffen muß wissenschaftlich ! sich fortzubilden, dem unsere Ideen nicht Schlagworte