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sind, um ein studentisches Bummelleben zu begründen, sondern ein wahres inneres Ziel?
So kann es nicht fortgehen. Diese Schranken, die viele von unseren Verbindungen fernhalten, sind soweit als möglich zu beseitigen. Wir wollen nicht alle jüdischen Studenten heranziehen, die die Universität besuchen, das könnte leicht zu einer Verwässerung sühren, aber wir wollen Möglichkeiten suchen, alle, die fähig und willens sind den Weg zu gehen, der uns seit einem Vierteljahrhundert vorgezeichnet ist. wieder wie früher zu sammeln. Diesen Weg gilt es frei zu machen und ihn zu wandeln, selbst wenn der einzelne ungern zurückblickt, wenn er sieht, daß der Weg steiniger geworden ist als er früher war.
Was kann, was muß geschehen, ohne Umstellung unserer Ideen, chne Umwandlung unseres Verbandscharakters, um die alten Wege weilerzugehen? Es wird zweierlei erfordern. Ab- und Ausbau! Dieser Abbau darf nicht aus Lust am Neuen, aus Pessimismus oder anderen Ursachen heraus alte Wesensmerkmale unseres Verbandes beseitigen. Aber notwendig ist, daß wir die Formen und Mittel auf ihren Wesenskern untersuchen und sie auf diesen zurückgeführt werden. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß neue Formen der studentischen Organisation nicht allein durch unseren Verband gestaltet werden können. Mer umgekehrt brauchen wir uns auch nicht, wenn wir uns die Waffen unserer Gegner zu eigen gemacht haben, um sie mit diesen selbst zu schlagen, auch die Ausschweifungen zu eigen zu machen, die diese Formen mit sich gebracht haben. Es ist in der heutigen Zeit ein Widersinn und ein Verkennen der studentischen Geschichte, wenn sich die Jugend nicht klar darüber ist, daß es nicht nur romantische Ideale sind, die in diesen Formen ruhen, daß es vielmehr innere Überzeugungen sein müssen, die sich nach außen in diesen Formen auswirken.
Darum wird von Fall zu Fall zu prüfen sein, ob es im Augenblick richtig und zweckmäßig ist, wenn sich die wirtschaftliche Lage von Grund aus verändert hat, wenn die Stellung, die der Student einnimmt, eine andere geworden ist, die Form unter allen Umständen überall in vollem Umfang zu erhalten, wenn die Existenz der Verbindung, die Gedanken des Verbandes dadurch gefährdet werden. Es muß geprüft werden, ob in der Großstadt das. was uns ursprünglich mit der Idee der Straßencoulenr verband, auch heute erreicht werden kann. Ob nicht vielleicht die Hindernisse, die sich dadurch aufbauen, größer sind als die Möglichkeiten, die. sich uns erschließen, und ob nicht darum hier und da ohne grundsätzliche Änderung diese oder jene Form augenblicklich zurücktreten muß. Es muß mit Bewußtsein von den Festlichkeiten abgerückt werden, die einen überflüssigen Kostenaufwand für die Verbindung Hervorrufen, die dem einzelnen ungeheure Lasten aufbürden, für die man sich sogar vereinzelt an den G.-A. gewandt hat. Es muß von seiten der Verbindung mit aller Schärfe darauf gesehen werden, daß auch das Leben eines jeden einzelnen sich in bescheidenen Grenzen hält, und nicht derjenige zurückgestoßen wird, oder sich beschämt beiseite hält, der hier und da nicht mittun kann. Es darf nicht sein, daß die studentische Volksküche vom Couleurtragen ausgeschlossen wird. Es darf nicht sein, daß die gleichen Anforderungen an die Äußerlichkeiten der Kleidung gestellt werden, die man früher für nötig hielt. Die Achtung vor dem Arbeitskleid ist in allen Kreisen der Studentenschaft eine nur allzu geringe.
Wenn man dem entgegenhält, daß auch die anderen Korporationen keine derartigen Einschränkungen vorgenommen haben, und daß es an der Jnteressenlosig- keit der Alten-Herrenschaft liegt, wenn dem nicht zu
steuern ist, so liegt darin etwas Wahres und etwas Falsches. Wahr ist, daß in den anderen Verbänden, in ungleich höherem Maße als bei uns, — auch als bei uns sein könnte — beit jungen Bundesbrüdern und den eine Tätigkeit suchenden Alten Herren Unterstützung gewährt wird. Aber seien wir uns auch klar darüber, daß trotzdem auf diesem Wege von uns nicht alles erreicht werden kann. Schuld trägt die geringe Zahl der Altherrenschaft, trägt die gerade bei dieser vorhandene außerordentliche wirtschaftliche Not, trägt die Tatsache, daß weite Kreise von uns aus abgetretenen Gebieten stammen und trägt nicht zuletzt der Umstand, daß uns nicht wie vielen von jenen anderen Verbänden maßgebende politische Kreise finanziell zur Verfügung stehen.
Auch die Politisierung der großen Verbände hat diese darauf hingedrängt, es zu einer „Tendenz" werden zu lassen, die Formen von einst völlig unverändert fortzuführen. Die Vorkriegsverhältnisse zurückzuführen ist aber nicht mit Äußerlichkeiten möglich.
Was abzubauen ist, ist damit gekennzeichnet, aber die Aufgaben des Aufbaues sind ebensogroß.
Erzieht wieder wie früher die Bundesbrüder zu geschlossenen Charakteren. Lehrt sie, daß es mit dem Optimismus der Jugend, mit der .Verantwortung vor der Volksgemeinschaft nicht vereinbar ist, nur im Vergangenen zu schwelgen, daß es eine Ehrenpflicht des Akademikers ist, nicht nur mit negativer Kritik den vaterländischen Aufgaben gegenüberzutreten. Erhaltet und verschärft nach dem Fortfall der Wehrpflicht die körperliche Ertüchtigung und die korporative Disziplin. Lehrt die Füxe, daß es eines ehrlichen deutschen Burschen nicht unwürdig ist, neben der Geistes- auch die Handarbeit zu treiben, daß es die alte deutsche Honorig- keit nicht verbietet, dem Gegner, der die Farben am Säbel nicht ehrt, mit der Faust zu begegnen. Zeigt ihnen, wie der Kampf weniger denn je mit Schlagworten durchgeführt werden darf, daß unsere Formen nur in unserer und durch unsere hochschulpolitische Aufgabe ihren Sinn haben, lehrt sie. daß, wie es unsere Toten uns bewiesen haben, der einzelne zurücktreten muß, hinter das Wohl der Gesamtheit, wie sie Fühlung suchen können und müssen mit den Kreisen, die die deutsche Akademikerschaft als Führer des Volkes nicht mehr anerkennen, weil sie ihre Gegenwartsaufgabe vielfach vergessen hat.
Diese Fragen haben in ihrer ganzen Schwere den G.-A. in seiner Sitzung vom 21. Oktober beschäftigt und haben zu folgender einstimmigen Resolution geführt, die nur unter diesen Gesichtspunkten und in diesem Rahmen zu verstehen ist:
„Die fortschreitende Not und die damit verbundene veränderte geistige Einstellung des deutschen Volkes, insbesondere der deutschen Studentenschaft, bedingt eine Änderung der Mittel und Formen unseres Kampfes.
In dieser Erkenntnis empfehlen wir unseren Verbindungen heute, von einer Überschätzung der alten Formen (Couleur, Fechten, Kneipbetrieb. Festlichkeiten) sich frei zu machen. Sie entsprechen der Zeit, in der sie entstanden sind, die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse erfordern neue Kampfmittel und neue Formen.
Vielmehr muß in erhöhtem Maße Körper und Wille durch Sport und Sportspiel gestählt werden. Unter Aufrechterhaltung unserer bisherigen K. C.-- Aufgabe muß das geistige und politische Interesse im Sinne der jetzigen Staatsform durch Erörterung aller Tagesereignisse (narürlich unter Ausschaltung einseitiger Parteipolitik) belebt werden. Bor allem muß die Erziehung deS einzelnen zu produktiver