2

Wir km Rieß er s währte, so daß all die reiche geistige Frucht­barkeit, welchle das Leben von Fuchs in den letzten zehn Jahren bis zur Stunde des Todes ausströmte, dem Dasein Nießers von vornherein genommen war.

Beiden Männern gemeinsam war die Gabe der wunder­baren, der hinreißenden und überzeugend bezwingenden Rede, beiden ist, wie es anläßlich des Ablebens von Rießer Hieß, das Recht Gemüt geworden; gleichmäßig zeichneten sie sich durch unbedingteste Reinheit und Lauterkeit des Charakters, durch strahlende Klarheit der Gedankensüh- rung, durch Wahrheit um jeden Preis aus, und an Eugen Fuchs bewundern wir besonders tue ergreifende Herzensgüte, die ihn immer mehr und mehr dem Ideal, das sich der gute Mensch von menschlicher Güte vorstellt, näherführte. Das ge­waltige Temperament, das in ihm lebte, bildet die Hauptursache feiner rednerischen Erfolge. Vielleicht hätte er länger unter uns geweilt, wenn nicht soviel Liebe, soviel Herz, soviel Vaterlands­gefühl und soviel jüdische Begeisterung in seinen Reden gelebt hätten. Wer in öffentlichen Versammlungen wirkt, empfindet oder weiß, daß manche Veranstaltung an Herz- und Nerveu- kraft sehr viel beansprucht, und daß die Lebensdauer hierdurch vermindert werden muß; er weiß aber auch, daß hier das wahre Stirb und Werde oder besser das wahre Werde und Stirb liegt. Denn wenn Eugen Fuchs sein Allerbestes gab, wenn er uns dasjenige schenkte, was ihm in seinen Werken die Ewigkeit sichert, dann baute er und das merkte man ihm stets an sein teures irdisches Dasein ab. Weil er uns von seinem Leben schenkte, weil er uns sein Kostbarstes gab, ist unsere Schuld ihm gegenüber so groß, und nur in Teil­leistungen werden wir sie tilgen können. Wie er Gabriel Rießer vollendet hat, so sollen wir ihn vollenden: Durch die Ausfchöpfung der von ihm geschaffenen Synthese zwi­schen Deutschtum und Judentum, die in der Schaffung des wahren jüdischen Deutschen gipfelt. Ist dieser geschaffen, oder vielmehr, wird er immer wieder neu und besser geschaffen, so kommt in zweiter Linie die gewaltige Politische Arbeit, die wir für die Interessen der jüdischen Deutschen dem Central-Verein zu leisten haben.

Unsere Stellung zum Dalerlande.

Was lehrt uns nun Fuchs über unsere Stellung zum Vater­lande; was sagt er insbesondere über den Begriff der Assimilation?

Im Jahre 1890 schrieb der unvergeßliche Hermann Stein- t h a l I mit Moritz Laza r u s, dem .Begründer der heutigen Völkerpsychologie, folgendes:

Ihr, meine Glaubensgenossen, an d'e ich mich hier insbesondere wende, und ich, wirs' n d Deut s ch e wir sind dies, weil uns, die wir an der deutschen Sprache zum Denken gereist sind, von deutschen Dichtern geistig genährt, von deutschen Forschern wissen­schaftlich belehrt, die wir selbst unsere heilige Schrift,das Erdteil der Gemeinde Jakob" nur verstehen, iwbem; wir dieselbe in deutsche Reden Übersehen, die wir, mitten im Getriebe der deutschen Natio­nalarbeit stehend und mitarbeitend, von deutscher Sittlichkeit Zur Tugend gestärkt werden wir sind Deutsche, weil es uns, wie wir

einmal sind, unmöglich fft, nicht Deutsche zu sein. Darum

lieben wir das deutsche Vaterland und sind ihm dankbar; wir heute können nur d a n n g «u* t e Jude n sein, w e n n wir gute Deutsche sind, können aber auch nur dann gute Deutsche sein, wenn wir gute Juden sind. Wir werden beides sein oder nicht sein mit einem Male."

Auf dieser Grundlage baut Fuchs auf und erklärt:

Das Wort A s s i m i l a n t e n t u m ist ein Schlagwort geworden, das wir klären müssen. Wenn Assimilantentum he.ißtz die Eierschale des Ghetto a b w e r f e n , brechen'mit dein, Was abgelebt umb abgestorben ist. brechen Kaftan und ^ Stirn­locke. so wird niemand gegen ein solches Assimilantentum etwas ei nzuw enden haben. Wenn Assimilantentum aber heißt, mit ge­heiligtem Brauch des Vaterhauses brechen, die Erscheinungen jüdi­schen Geistes un»d jüdischen Herzens, jüdischen Gemüts und jüdischen Familiensinns aufgeben, wenn es heißt, «das eine preisgeben und das andere lassen, nicht weiü es das bessere, sondern weil e§ das

*) H. Steintbal, lieber Juden und Judentum. S. 14/18. Val. auch den Ausspruck von H. Steintbal, S. 80:Eian-en wir uns alle ser- manischen Tugenden an. und batten wir unsere altsüdischen lest."

andere ist, so wird jeder dieses Assiinilantentum bis in den Gruiw seiner Seele verabscheuen. Wir wollen au? deutsche m Goden andeutscher Kultur mit a r b e i t e n u n d treu bleiben an dem, w a s w i r a u s jüdi s che m H a u s e, a u S j a h r h u n d e r t e l a n g e r , j a h r t a u f e n d e l a n g e r j ü d i - scher Geschichte als berechtigte Eigenart unseres S t a m m e s m itbe k o m m e n h ab e n."

Fuchs. hat erklärt: Wir sind n a t i o n a l d e u t s ch. Er ist es gewesen, iber die engste Verbindung mit dein deutschen Vuterlande als eine gegebene, nicht zu leugnende Tatsache immer wieder gefühls- und gedankenmäßig begründet hat. In seinem klassischen Kriegsvortrag vom November 1914 spricht Eugen Fuchs aus:

Seit mehr als zwei Jahrzehnt eil treten wir für den Gedanken ein und wollen ihm allgemeine Geltung verschaffen, daß man ein «getreuer Sohn seines Vaterlandes und auch ein getreuer Jude sein kann, daß der beste Jude auch der beste Tr Nische sein wird. I st e s u n s e reltt sgub e , dieIude n oh ne ll u t e r schied ihrer relig lösen und P o lifct f ch en Ri chtu n g in d er tat­kräftigen Wahrung ihrer G l e i ch st e l l u n g und in der unbeirrten Pflege deutscher Gesinnung zu b e st ärke n , sto v e r st e h t es sich von sei b st, daß \v \ r unsere P s l i ch t bis ans äußerste erfülle n w erden. Wir haben; uns zu Beginn des Krieges in einem Ausrufe an unsere Mitglieder gewandt und ihnen gesagt, daß wir auch über die Pflicht hinaus für das Vaterland eintreten wollen. Man hat uns dieserhalb angegriffen, weil auch das selbstverständlich sei und nicht gesagt zu werden brauche. Das mag sein. Ich glaube aber nicht, das; es schädlich ist, wenn mau hier und da dein Selbstverständlichen Ausdruck gibt. Wir haben es nicht getan in der Erwartung der Anerkennung und der Dankbarkeit, sondern weil es uns unsere Herzen eingaben. Wir rechne n u n d w a r t e n n r ch t auf Dankbarkeit des Vater l a n d e s, sondern wir handeln, wie es Pflicht und Genüssen uns gebieten. Ich habe schon früher gesagt, daß das Leben lebenswert ist, auch wenn man nicht Reserve-, osnzier, Korpsstudent oder Landrat sein kann, daß wir, wofern wir nicht vor der Front kämpfen können, wir in der Front kämpfen, in Reih und Glied unseren Mann stehen werden, wenn das Vaterland uns ruft. Das tun unsere jüdischen Bruder. Und hvi-r freuen uns dessen."

Dies war am Anfang des Krieges. Und als der Krieg so unglücklich zu Ende zu gehen drohte, da führte Eugen Fuchs in e i ner Versammlu n g a m 2. November 1918 aus:

M ir w ' 0 1 i eit u i ch t kl a gen, aber auch nicht au- kl a g e n. Wir wollen nicht fragen, wer schuld ist, daß so unermeß­liches Leid über unser Vaterlanid gekommen ist. Wenn Volk sein heißt, eine gemeinsame Not empfinden, so wollen wir sie gemeinsam und einig tragen und nicht fragen, ob chauvinistischer Uebermut oder pazifistischer Kleinmut. ob die Alldeutschen oder dieAlljüdi- scken", ob die Unzulänglichkeit der Negierten oder der Regierenden schuld ist. Ein jeder hat seine eigenen Gedanken ü be r di e Sch nld ; ich habe sie lanae vor dem 'Kriege zur Zeit der Marokko-Frage in der Dessen klichkeit geäußert. Ich habe da- mails den Gedanken geäußert, daß der Mann, der unser größter deutscher Staatsmann genesen ist, der unsere Einigkeit, unsere - Größe, unsere Weltmachtstellu n g geschaffen, auch den Keim zu unserem Niedergänge gelegt, weil er unsere Weltmachtstellung durch Koalitionen gesickert hat. die sich selbst nicht als fest genug erwiesen haben, und indem er Frankreich, unseren natürbchen Jnteressen- freunch gedemntigt und für uns bundesunfähig gemacht, die starke Gegenkoalition von England, Frankreich und Rußland hervor- gerusen und gefestigt hat."

Aber, wie immer, mündet auch seine Wehmut in Zuversicht:

. . . Das Bekenntnis der Treue zum Vaterlande und zur Glanbensgemeinschast bedarf nicht des Aufschubs um ein paar Wochen. Wir, sind unverbesserliche Optimisten. Wären wir es nickst, so hätten wir nicht ein Lebeulang für unsere Glaubensgemeinschaft, für unsere Gleichberechtigung gekämpft, ein Kämpfen, das zuerst ganz aussichtslos erschien. Wir vertrauen auf die befrei ende Macht des Geistes, aus die Macht der Ideen-, aus den Siegeszug des Rechts und der Gerechtigkeit/

So' hat auch im persönlichen Leben Eugen Fuchs durch dieTatseine Gesinnung bekräftigt. In seinem Kriegsvortrag sprach er seinen Hörern das Rosnersche GedichtIm Schützengraben" vor. Wer Zeuge dieses Vortrags gewesen ist, erinnert sich noch, mit welcher Eut- flammtheit er die Derse wiedergab:

Was ist.Leben, was ist Tod? Worte ohne Schwere,

Ist das deutsche Land bedroht und die deutsche Ehre . . .

Brüder: Was da kommt, gilt gleich Leben oder Sterben!

Aber blühen muß das R^ch uns und unfern Erben!"

Der ältestes aeliebte Sohn unseres Fuchs fiel. Dom Felde aus schrieb ich dem Vater einige herzlich gemeinte